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Berlin: Andrea Bocelli aus der Muschel

Beim Auftritt des Tenors präsentierte sich die Deutsche Oper erstmals als Konzerthaus

Die Deutsche Oper lässt von sich hören – dank einer besseren Akustik bei Konzerten. Nun verfügt das Haus an der Bismarckstraße über eine so genannte Konzermuschel. Das raffinierte Einbauteil der italienischen Spezialfirma Suonovivo wandelt die „Freiraum“-Akustik des Opernhauses in die „Höhlen“-Akustik eines Konzertsaals um. Und so war die Muschel die heimliche Heldin des Abends mit Tenor Andrea Bocelli und Sopranistin Patrizia Orciani. Im Zeichen Italiens stand die Deutsche Oper am Sonnabend – akustisch mit den feurigen Melodien von Giuseppe Verdi und Giacomo Puccini, optisch mit den Landesfarben. Sogar der Blumenschmuck war in Grün-Weiß-Rot gehalten.

Ganz unauffällig hingegen präsentierte sich die neue Konzertmuschel. Rein optisch erinnert die Neuerwerbung kaum an jene Musikmuscheln, die in Kurparks oder an Strandpromenaden stehen. Das Gehäuse passt sich wie angegossen dem Bühnenraum der Deutschen Oper an und fällt – auch weil der Holzton mit der Vertäfelung des Zuschauerraums harmoniert – nicht besonders in den Blick. Akustik-Profis und interessierte Laien bemerken allerdings die angeschrägten Wände, die den Einbau zu einer Art Trichter formen. Beabsichtigter Effekt: Die Musiker können sich untereinander besser hören, vor allem aber profitiert das Auditorium vom gerichteten Klang.

Bisher musste das Orchester bei Symphoniekonzerten an der Deutschen Oper ohne die Spezialwände auskommen. Durch den rückwärtig geöffneten Bühnenraum und die offenen Seiten ging einiges an Klangqualität verloren. Nun aber reflektiert das exakt ausgerichtete neue Holzgehäuse den Orchesterklang so nach vorne, dass ein warmer, konzentrierter, aber auch transparenter Sound entsteht. Eine Konzertmuschel als Ohrmuschel-Schmeichler. Kein Wunder, dass sich auch die neue Intendantin Kirsten Harms über die Neuanschaffung freut – am Samstag lobte sie die Neuanschaffung als „eigenständiges Kunstwerk“ und dankte dem Förderkreis der Deutschen Oper, der den Erwerb des Klanggehäuses anschob und Geld dafür sammelte.

Dank Andrea Bocelli, dessen Auftritt diverse spitze Schreie auslöste, dürfte sich die Musikmuschel-Sonderkasse noch einmal gehörig gefüllt haben. Nach jeder Tenornummer brach im ausverkauften Haus Jubel aus. Verdis „Acht Romanzen für Tenor und Orchester“ trug Bocelli mit gewohnt balsamischer Mittellage und zaghaften Höhenflügen vor. Dazu spielte das Orchester der Deutschen Oper, diesmal ohne Gage, und breitete für Bocelli einen Klangteppich aus, der Luciano Berios ungewöhnliche Orchesterfassungen der Verdi-Lieder klangsinnlich zur Geltung brachte. Maestro Marcello Rota kitzelte ein Höchstmaß an Pianokultur und dynamischer Energie aus dem Ensemble heraus – das in der neuen akustischen Umgebung beeindruckende Form bewies.

Jens Hinrichsen

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