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Berlin: Andrea Krausch aus Prenzlauer Berg weiß fast alles über Jesus-, Maria- und Josephfiguren

Panikgefühl kriecht durch den Bauch: Das Jesuskind ist weg. Andrea Krausch schaut hinter Maria und Joseph nach, hinter Ochs und Esel.

Panikgefühl kriecht durch den Bauch: Das Jesuskind ist weg. Andrea Krausch schaut hinter Maria und Joseph nach, hinter Ochs und Esel. Nichts. Tagelang hat sie in der Gedächtniskirche gearbeitet, um die Weihnachtskrippe aufzubauen. Und jetzt das. Es ist eine Katastrophe. Eine Krippe ohne Jesuskind ist doch undenkbar. Frau Krausch weiß fast alles über Krippen, sie kennt welche mit lebensgroßen Figuren oder ganz winzige, die in die Tasche passen. Doch so etwas hat sie noch nicht erlebt. Und das wenige Tage vor Weihnachten! Andrea Krausch fährt nach Hause in die Gaudystraße in Prenzlauer Berg. Wo ist das Jesuskind? Sie ist ratlos. Schließlich stößt ihre Hand beim Wühlen im großen Schrank zwischen ein paar Seidentüchern auf etwas Hartes: das Jesuskind. Ein Glück, denkt die junge Frau - gerettet.

Andrea Krausch ist Kunsthistorikerin, Restauratorin, Galeristin, Designerin, Kunstmalerin, und sie arbeitet im Schloßparktheater als PR-Frau und in der Requisite. Der Drang zum Gestalten regte sich früh in ihr. "Als ich vier Jahre alt war, habe ich mit Wachskreide Kringel und Muster aufs nagelneue Cordsofa gemalt. Meine Eltern fanden das nicht so gut", sagt die junge Frau. Mit 19 Jahren - das war Mitte der 80er Jahre, verließ sie ihren Heimatort in der Nähe der fränkischen Stadt Hof und zog nach Berlin. Dort lernte sie an der Hochschule der Künste das Zeichnen, später studierte sie Kunstgeschichte und Germanistik an der Freien Universität und wechselte schließlich aus Interesse für Stadtplanung und Denkmalpflege an die Technische Universität. Nach der Wende wandte sie sich an der Humboldt-Universität erneut der Kunstgeschichte zu und durchstöberte ganze Kellergeschosse von Berliner Archiven. Dabei fand sie heraus, dass die Werbefachleute der DDR in den 50er Jahren großartige Ideen hatten, "vor allem für originelle Lichtreklame". Sie sammelte fleißig Material, schrieb eine Magisterarbeit mit 760 Seiten und krönte ihre Abschlussarbeit mit der unerwarteten Erkenntnis, dass die besten Experten für Lichtreklame vor vier Jahrzehnten in Ost-Berlin saßen, nicht in Charlottenburg oder Wilmersdorf. 1994 suchte eine Gruppe von Studenten für die Galerie der Humboldt-Uni nach einem Thema für eine Ausstellung. Man einigte sich auf das Thema Weihnachten, und Andrea Krausch begab sich auf die Suche nach Krippen. Die Ausstellung mit einem ganzen Panorama von Krippen wurde ein Publikumserfolg. Die Kataloge waren im Nu vergriffen. Besser noch: Andrea Krausch lernte lauter Menschen kennen, die in ihren Wohnungen Krippen stehen hatten. Die Leute brachten kaputte Figuren oder ganze Krippen zur Reparatur. Andrea Krausch war fortan damit beschäftigt, Farben nach alten Rezepten anzurühren, Expertisen zur Herkunft abzugeben oder Gipsabgüsse ganzer Krippen anzufertigen. Schließlich lernte sie den berlin-brandenburgischen Krippenverein mit seinen 30 Mitgliedern kennen.

Doch das Leben besteht nicht nur aus Krippen, und Frau Krausch kann viel mehr: Sie malt auf Bestellung Stillleben mit Nüssen und Weintrauben in Hotelfoyers oder kopiert im Kundenauftrag Ölgemälde von Landschaften. Außerdem gestaltet sie Dekorationen für Schaufenster, arrangiert die Umgebung für Festessen und bemalt Geschirr. Im Schloßparktheater kümmert sie sich um die Werbung und tüftelt neue Requisiten aus. Mit Requisiteur Jens Dube baute sie aus Styropor und Putz eine große Torte für Goldonis Komödie "Diener zweier Herren". Derzeit arbeitet sie mit Seidenpapier und Draht am haltbaren Salatblatt für alle Gelegenheiten. "Das ist ein ernstes Problem für Requisiteure", sagt sie und lacht.Weiteres telefonisch: 440 42 918.

Michael Brunner

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