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Berlin: Angriff per Mausklick

Computer-Teams spielten um die Deutsche Meisterschaft. Organisatoren sehen Strategie im Vordergrund, nicht die Gewalt

Wogendes Meer, goldgelber Sand, auf dem einige Palmen stehen und die Blätter müde hängen lassen. Ein Paradies – das unecht wirkt. Es ist offensichtlich vom Computer geschaffen. Plötzlich wird die virtuelle Stille von heroischen Trompetenklängen durchbrochen, der Zuschauer scheint aus dem Cockpit eines Flugzeugs zu blicken, das mit tosenden Propellern auf die Küste zuschießt. Kurz darauf pflügen riesige Kampfschiffe langsam durch den Ozean.

Die Zuschauer in dem Kinosaal verfolgen das Geschehen gebannt, bei jeder Explosion und jedem abgeschossenen Flugzeug geht ein „Heeey“ oder ein „Woooaahh“ durch die Reihen. Man könnte meinen, hier im Cubix-Kino am Alexanderplatz werde die virtuelle Version des Kriegsfilms „Top Gun“ gezeigt. Doch was da auf die Großleinwand übertragen wird, ist ein Endspiel bei den „Deutschen Gaming Meisterschaften“. Die Disziplin: Das Computerspiel „Battlefield 1942“. Vor dem Kinosaal sitzen die beiden achtköpfigen Finalteams, „Mousesports“ und „Deutschlands Kranke Horde“, an langen Tischen vor flimmernden Bildschirmen. Die Mitglieder der einzelnen Mannschaften kommen oft aus ganz Deutschland – zum Training trifft man sich im Internet.

In atemberaubender Geschwindigkeit hacken die 16 Jugendlichen auf die Computertastaturen ein. Die Strategie wurde vorher abgesprochen – wer die Flugzeuge fliegt, wer die Schiffe lenkt. Beim Spiel koordinieren sich die Teammitglieder dann über Kopfhörer und kleine Mikrofone.

Es geht hart zur Sache auf der Leinwand. Erst liefern sich einige Soldaten einen Messerkampf, nach einer Bombenexplosion scheint plötzlich die Leinwand in Flammen zu stehen. Doch Teilnehmer und Organisatoren wehren sich gegen den Vorwurf der Gewaltverherrlichung. „Die Strategie steht im Vordergrund“, sagt Frederik Blachetta von der „Freaks 4U GmbH“. Das Unternehmen existiert seit 1997, um deutsche Teams mit Hilfe von Sponsorengeldern zu managen, und hat die Meisterschaften organisiert. Sich mit seinen Mitspielern richtig abzusprechen, den Gegner in den Hinterhalt zu locken oder durch Konterflüge die Bomber des Gegners schon beim Anflug zu behindern – darin liege der eigentliche Reiz.

Auch das Spiel „Counterstrikes“, mit dem an diesem Nachmittag die Meisterschaft endet, sei in erster Linie ein Strategiespiel, versichern die Jugendlichen immer wieder. Das Spiel gelangte im Zusammenhang mit dem Amokläufer von Erfurt, der vor zwei Jahren an seiner Schule 16 Menschen tötete, zu trauriger Berühmtheit. Er hatte es regelmäßig gespielt. Kein Grund, „Counterstrikes“ bei der Meisterschaft nicht ins Programm zu nehmen, sagt Frederik Blachetta. „Wir wollen den Menschen ja gerade zeigen, dass wir keine aggressiven Freaks sind, die immer nur zu Hause am Computer hängen.“ Gekämpft wird bei der Meisterschaft allerdings nicht bei allen Spielen. Bei „Fifa 2003“ ist das Ziel der erste Platz in der Fußballbundesliga.

Insgesamt kämpfen auf der Meisterschaft 176 meist männliche Teilnehmer zwischen 18 und Ende 30 für fünf verschiedene Computerspiele um den jeweiligen Meistertitel. Und dabei geht es nicht nur um die Ehre – die Siegerteams erhalten zwischen 5 000 und 10 000 Euro.

Anne Seith

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