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Berlin: Angst vor neuer Gewalt überschattet Trauermarsch

BERLIN .Zu dem Trauerzug für die vor einer Woche im Israelischen Generalkonsulat getöteten Kurden erwarten die Veranstalter heute über 20 000 Teilnehmer.

BERLIN .Zu dem Trauerzug für die vor einer Woche im Israelischen Generalkonsulat getöteten Kurden erwarten die Veranstalter heute über 20 000 Teilnehmer.Der Gedenkmarsch solle "friedlich und gewaltfrei" verlaufen - dazu hätten die kurdischen Organisationen aufgefordert, sagte der Mitveranstalter und Grünen-Abgeordnete Riza Baran.So sollen kurdische Ordner womöglich Randalierende aus dem Zug drängen.Der gestern genehmigte Trauermarsch beginnt um 13 Uhr am Halleschen Tor und führt über Mehringdamm, Yorck- und Bülowstraße bis zur Urania.Die Veranstaltung wird auch von den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Michaele Schreyer sowie von Jusos, PDS und der Internationalen Liga für Menschenrechte unterstützt.

"Die Vereine und Organisationen werden ihre Mitglieder und alle übrigen Kurden auffordern, sich an gewalttätigen Aktionen nicht zu beteiligen", sagt Riza Baran, der mit Giyasettin Sayan (PDS) und Kazim Baba, Vorstandsmitglied der Kurdischen Gemeinde Berlin, zum "Trauermarsch für Sema A., Ahmet A.und Mustafa K." aufruft.Die drei waren vorigen Mittwoch von israelischen Sicherheitskräften erschossen worden.

"Sie wurden ermordet" - so formuliert es Hülya Baba vom Kurdischen Emigrantenverein.Die Stimmung unter den rund 60 000 Kurden in Berlin sei aber "keineswegs aufgeheizt", vielmehr seien sie "empört und traurig".Im Kurdischen Verein am Mehringdamm 33 und in der Gemeinde in der Dresdner Straße 8 ist die Erregung zu spüren."Wir sind wütend, weil wir von vielen Medien generell als Terroristen dargestellt werden", sagt ein Mitarbeiter des Kurdischen Kulturvereins.Warum so viele Kurden fliehen mußten, werde nicht thematisiert.Nach Auskunft von Selim Büsse und Hüeseyin Kartal vom "Kurdischen Institut für Wissenschaft und Forschung e.V." sympathisieren wegen der Öcalan-Verhaftung derzeit "selbst die Kurden in Berlin mit der PKK, die sonst gegen sie waren".Der Verfassungsschutz weiß von rund 1000 PKK-Aktivisten in Berlin.Die Instituts-Mitarbeiter sind der Überzeugung, daß heute "getrauert wird und nichts sonst."

Wenn Kurden Angehörige verloren haben, rasieren sich die Männer als Zeichen der Trauer nicht.Auf dem Weg zum Friedhof wird laut geweint und geklagt "als Signal für den Toten, daß man ihn nicht alleine läßt", erklärt ein junger Kurde.In Berlin werde es ruhiger zugehen; Ausschreitungen dürften nicht vorkommen, sagt Riza Baran: "Wenn einige ausflippen, werden sie rausgenommen.Mit denen wollen wir nichts zu tun haben." Massive Polizeipräsenz und Kontrollen vor kurdischen Einrichtungen könnten "die sich beruhigende Stimmung aufheizen".Ursprünglich sollte der Zug bis zum Breitscheidplatz führen.

Unterdessen kritisiert Siamend Hajo, Mitarbeiter des Vereins der Eltern aus Kurdistan, die Stimmung werde durch "nationalistische Propagandafeiern" in den türkischen Medien aufgeheizt.Schüler und Auszubildende würden "beleidigt und beschimpft".Rüdiger Jung, Rechtsanwalt des festgenommenen 17jährigen Ö.und der Grünen-Abgeordneten Judith Demba, sagte, er werde voraussichtlich gegen das Verbot der Demo vom Sonntag Klage einlegen.

Der letzte Kurden-Trauermarsch in Berlin fand am 1.August 1995 in Erinnerung an die infolge eines Hungerstreiks verstorbene Kurdin Guelnaz Baghistani statt - friedlich.

ANNETTE KÖGEL

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