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Berlin: Anhalter Bar

Mövenpick? Da fällt einem das leckere Eis ein, man denkt an solide Schweizer Gastronomie und erwartet nichts Ungewöhnliches.

Von Frank Jansen

Mövenpick? Da fällt einem das leckere Eis ein, man denkt an solide Schweizer Gastronomie und erwartet nichts Ungewöhnliches. Der drinking man hatte bislang nicht den Eindruck, er müsste auf der Suche nach den Hochburgen der Cocktailkultur unbedingt ein Mövenpick-Hotel aufsuchen. Doch nun wirbt die Kette für eine angeblich ambiente-haltige Bar in dem neuen Hotel am Anhalter Bahnhof. Das Lokal heißt denn auch sinnigerweise „Anhalter Bar“. Das klingt hübsch doppeldeutig, fast schon ein bisschen verrucht. Aber können sich Schweizer wirklich gehen lassen? Diesbezüglich hat Berlin ja nur Erfahrungen mit einer gewissen Shawne Borer-Fielding, aber die ist eigentlich immer noch Amerikanerin. Leicht verwirrt begab sich das drinking couple zu den Anhaltern.

Das Hotel wirkt von außen trotz der Mövenpick-Farbtupfer fast immer noch so wuchtig streng wie zu Finanzamts- und Siemens-Zeiten. Die Bar hingegen ist zunächst einmal schwarz. Ein hallenartiger Raum, Wände und Decke sind düster wie die Nacht. Umso greller sticht der rotgelb leuchtende Tresen hervor. Die Auflage der mittig platzierten Thekenlandschaft ruht auf Hochspannungsisolatoren. Ringsum sind Barhocker aufgestellt, ihre Gestalt erinnert an große Orangeneis-Hörnchen. An den Wänden ziehen sich spartanische Sitzbänke entlang, mit ziemlich unbequemen Polsterrollen. Dann stehen noch flache grüne und tiefe rote Schalensitze herum. Ein Teilstück einer Wand ist weiß gestrichen; auf dem Leinwandersatz flimmert ein Endlosvideo mit Bildern aus einem Aquarium voller bunter Fische. So sieht das also aus, wenn Mövenpick schrillert.

Der sehr nette Kellner servierte einen Red Power (Schwarzer Rum, Red Orange, Peachtree, Zitronen- und Orangensaft, Grenadine), der fruchtig-harmlos blieb. Mit Pfirsichlikör verstärkt kam ein Bellini, den die compañera als ausgewiesene Bellini-Expertin mit der Bemerkung kommentierte, „bei Cipriani nehmen sie nur weißes Pfirsichmark und Prosecco“. Unüblich üppig geriet dem Keeper der Frozen Daiquiri, der nicht nur mit Eishügel im Glas erschien, sondern noch seinen eigenen Nachschlag in einer fast randvollen Karaffe dabei hatte. Nun ist der drinking man kein Langzeitnuckler, doch so schnell zu trinken, dass der Reserve-Daiquiri gänzlich frozen blieb, gelang nicht. Dagegen war die compañera glücklich, mit dem Aperol Sour den besten Drink des Abends genießen zu können.

Bleibt eine unvermeidliche Anmerkung: In der Anhalter-Karte firmieren Malt- und Scotch-Whisky als Whiskey. Wenn das ein Schotte sieht, kann Mövenpick renovieren.

Anhalter Bar, im Mövenpick Hotel, Schöneberger Straße 3, Kreuzberg, Tel.23006495, geöffnet täglich ab 17 Uhr. Nächste Woche stellt hier Daniel Haaksman einen Berliner Club vor.

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