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Die drei engagierten Schüler (v.l.n.r.) Jannis Dannenberg (18), Fee Griebenow (17) und Miguel Góngora (17) setzen sich für die Einrichtung eines Jugendparlaments auf Landesebene ein.

© Amélie Baasner

Anhörung im Abgeordnetenhaus: Jugendliche wollen mehr Mitsprache in der Landespolitik

In Bezirken gibt es sie schon lange: Kinder- und Jugendparlamente. Engagierte Jugendliche fordern dies nun auch auf Landesebene.

Fee Griebenow (17), Jannis Dannenberg (18) und Miguel Góngora (17) kommen aus unterschiedlichen Stadtteilen, gehen auf unterschiedliche Schulen und würden unterschiedliche Parteien wählen. An einen Tisch bringt sie der Einsatz für eine gemeinsame Sache. Die drei sind Teil einer berlinweiten Jugendinitiative, die ein größeres politisches Mitspracherecht verlangt.

Die Jugendlichen kämpfen dafür, dass sowohl auf Bezirksebene, als auch auf Landesebene Kinder- und Jugendparlamente eingerichtet werden. Am Montag wurden sie im Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement des Abgeordnetenhauses gehört.

Seit 2003 gibt es in Charlottenburg-Wilmersdorf ein Kinder- und Jugendparlament, seit 2005 auch in Tempelhof-Schöneberg. In der nächsten Zeit werden voraussichtlich in Neukölln, Steglitz-Zehlendorf, Reinickendorf, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte weitere Parlamente dazukommen.

Dazu sammeln die Jugendlichen Unterschriften, erarbeiten Konzepte und legen diese ihren jeweiligen Bezirksausschüssen vor. Hilfe kommt aus den bereits bestehenden Parlamenten. Von den verantwortlichen Erwachsenen fühlen sie sich manchmal im Stich gelassen.

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Bereits im Juni letzten Jahres beschloss das Abgeordnetenhaus das Jugendförder- und Beteiligungsgesetz. Anfang 2020 trat es in Kraft. Es soll jungen Menschen mehr politische Mitsprache ermöglichen. Die Einrichtung von Kinder- und Jugendparlamenten auf Bezirks- und Landesebene wäre solch eine Art der politischen Beteiligung.

Einsatz für mehr Chancengleichheit

"Berlin braucht vielfältige Möglichkeiten an Partizipation und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen auf unterschiedlichen Ebenen. Kinder und Jugendliche sollen unmittelbar ihre Lebenswelt mitgestalten und sich auch auf politischer Ebene in formalen Gremien langfristig engagieren können", sagt Bildungs- und Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD).

Fee Griebenow arbeitet in Neukölln an der Umsetzung des neuen Kinder- und Jugendparlaments. Besonders treibt sie der Wunsch nach Chancengleichheit an. "Ich wohne in Mitte, gehe aber in Neukölln zur Schule. Einfach weil ich meine Schule und meine Klassenkameraden mag. Immer wieder erlebe ich, wie andere nicht die gleichen Chancen haben wie ich, weil ihre Eltern weniger Geld haben und das ist ungerecht", sagt sie.

"Deswegen trommeln wir in Neukölln alle zusammen, sammeln Unterschriften, schreiben insbesondere auch die Schulen in sogenannten Krisengebieten an. Wir machen den Leuten klar, dass sie etwas verändern können. Deswegen ist die Anerkennung der Jugendlichen in Form eines Kinder- und Jugendparlaments so wichtig, es verleiht unserem politischen Engagement eine gewisse Seriosität", meint die Schülerin.

In Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es bereits seit 2003 ein Kinder- und Jugendparlament.
In Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es bereits seit 2003 ein Kinder- und Jugendparlament.

© Amélie Baasner

Miguel Góngora setzt sich neben seiner Tätigkeit als Chef des Kinder- und Jugendparlaments Charlottenburg-Wilmersdorf gemeinsam für ein Jugendparlament auf Landesebene ein. Dazu haben die beiden ein Konzept erarbeitet, welches von 149 Berliner Schulen befürwortet wurde und nun im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung steht.

Leipzig als Vorbild für Berlin

Miguel ist jeden Donnerstag im Parlament, um Abgeordnete von seiner Idee zu überzeugen. Erst, wenn aus dem Konzept eine Gesetzesinitiative der Koalition wird, kann das Kinder- und Jugendparlament auf Landesebene umgesetzt werden. "Es ist wichtig, dass sich junge Menschen Gehör verschaffen und für ihre Interessen kämpfen", sagt Sawsan Chebli (SPD), Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales.

"Wir müssen helfen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit junges Engagement auch tatsächlich Wirkung entfalten kann. Ich unterstütze die Idee eines Kinder- und Jugendparlaments auf Landesebene, würde es aber ungern von oben herab entscheiden wollen. Das sollte von den Jugendlichen selbst kommen", sagt Chebli.

Als Vorbild gilt Leipzig, das bereits ein Kinder- und Jugendparlament eingerichtet hat. Die Grünen-Abgeordnete June Tomiak warnt aber vor zu großen Erwartungen. Ein Kinder- und Jugendparlament kann für sie "nur Teil einer Lösung für mehr Jugendpartizipation sein".

Miguel Góngora (17) ist Sprecher des Landesschülerausschusses. Er kann sich in eine Absenkung des Walhalters auf 16 Jahre vorstellen.
Miguel Góngora (17) ist Sprecher des Landesschülerausschusses. Er kann sich in eine Absenkung des Walhalters auf 16 Jahre vorstellen.

© Amélie Baasner

Denn es handele sich um eine "sehr hochschwellige Art der Beteiligung" und spreche "nur diejenigen an, die sowieso Interesse an Politik haben oder aus einem bildungsstarken Kontext kommen. Wir müssen überlegen, wie wir auch die Jugendlichen erreichen, die nicht von Hause aus Interesse an Politik vermittelt bekommen."

Absenkung des Wahlalters als Alternative

Das sieht Miguel Góngora ähnlich. Die wichtigste Aufgabe des Kinder- und Jugendparlaments sieht der 17-Jährige deshalb darin, dass die gewählten Vertreterinnen und Vertreter alle Jugendlichen erreichen und ihre Interessen vertreten. "Eine Alternative zum Kinder- und Jugendparlament wäre für mich nur die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre", sagt Góngora.

Am 24. Februar hatte der Nachwuchspolitiker seinen großen Auftritt. Als Landesschulsprecher und Vorsitzender des Kinder- und Jugendparlamentes Charlottenburg-Wilmersdorf durfte er im Abgeordnetenhaus sprechen. Seit mehr als sechs Jahren kämpft die Jugendinitiative für die Idee der Kinder- und Jugendparlamente auf Bezirks- und Landesebene.

Die Anhörung verlief aus Sicht von Góngora gut. Viele Sprecher aus verschiedenen Fraktionen hätten ihm gesagt, der Prozess für ein Kinder- und Jugendparlament sei im Gang. "Das weckt in mir die Hoffnung, dass das Thema nicht nur diskutiert wurde, sondern dass man jetzt den Weg für parlamentarische Initiativen öffnet." Er hofft auf eine fraktionsübergreifende Initiative, bei der auch die Opposition aus CDU und FDP miteinbezogen wird.

Amélie Baasner

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