zum Hauptinhalt
Osthafen

© ddp

Ankerplätze für Ideen: Nah am Wasser gebaut

Berlins Häfen suchen nach neuen Aufgaben. Als Lebensmittellager haben sie ausgedient, für großstädtisches Flair fehlt es an attraktiven Lagen. Doch an den Ufern von Havel, Spree und Kanälen liegt Entwicklungspotenzial. Und an manchem Kai werden neue Pläne realisiert – dank privater Investoren.

Das Schild „Kreuzfahrtterminal“ haben sie sich einfach mal geleistet. 300 Meter nach links, bitte. Der Tourist, Ausschau haltend nach einer Berliner Spielart der St. Pauli-Landungsbrücken, stößt auf Lastwagen, die über Kopfsteinpflaster poltern, ein trostlos leeres Hafenbecken und rostende Kran-Skelette. Der Westhafen als Entree zur Weltstadt Berlin? Eine Pointe, die Hafenlogistiker Klaus-Günter Lichtfuß mit leichtem Grinsen verteidigt. „Flusskreuzfahrten erleben einen Boom.“ Davon wollte der Hafenbetreiber Behala auch profitieren. Die Verhandlungen mit den Reedereien waren aber nicht sehr erfolgreich. Im September soll ein Kreuzfahrtschiff im Westhafen anlegen. Das war’s dann für dieses Jahr.

Die Berliner Häfen suchen nach neuen Aufgaben. Als Lebensmittellager und Rohstofflieferant haben sie weitgehend ausgedient. Schrott, Bauschutt, Brennstoffe und Kies, das floriert noch, aber auch damit lassen sich die Kaianlagen nicht füllen. Für großstädtisches Hafenflair fehlt es an attraktiven Lagen. Weil der Bund mit dem Ausbau der Wasserstraßen zu Elbe und Oder nur schleppend vorankommt, bleibt auch der andernorts blühende Containerverkehr per Schiff vorerst eine schöne Vision.

Tempelhof: Speicher und Kräne sind Perlen des Projekts

Die Idee mit dem Kreuzfahrtterminal war deshalb gar nicht mal schlecht. Nur fehlt es der Behala an einem kompetenten Partner, der diese Vision teilt. Etwas weiter südlich, am Tempelhofer Hafen, noch wesentlich lebloser als der Westhafen, haben sie diesen Partner gefunden. Die Immobilienfirma HLG aus Münster baut ein Einkaufszentrum mit Bootsanleger und Flanierstegen am alten Hafenbecken. Die denkmalgeschützten Speicher und Kräne, bisher eine finanzielle Last, sind die Perlen des Projekts, weil sie den Ladengalerien eine Seele einhauchen. Der Tempelhofer Hafen lädt sich mit neuer Bedeutung auf, ohne seine Geschichte als Warenumschlagplatz zu verleugnen.

Berlin hat in den vergangenen Jahren entdeckt, dass es am Wasser liegt. An den Ufern von Havel, Spree und diversen Kanälen liegt noch ungeheures Entwicklungspotenzial brach. Eine historische Hafenanlage erhöht den emotionalen Wert des Wassers um eine zivilisatorische Komponente. Was möglich ist, wenn ausgediente Anlagen neu definiert werden, beweist das Kranhauscafé in Oberschöneweide. Inmitten einer Industriebrache hat sich ein Hamburger Designer einen Kranturm zurechtgebaut, der früher zum Hafen des Kabelwerks Oberspree gehörte. In den oberen Etagen sind Atelierräume entstanden, unten sitzen die Cafegäste an Tischen aus alten Kabelrollen direkt am Spreeufer.

Hamburg und London machen es vor

Der Osthafen befindet sich gerade mitten in der Transformation zum Mode- und Medienstandort. Als Anlieger der breitesten Spreeausdehnung, die Berlin zu bieten hat, lässt sich hier am ehesten Hamburger Hafenflair kopieren. Die ersten Cafeterassen haben schon geöffnet. Vor zwei Jahren wurden hier noch Kohlen verladen und Altautos verschrottet.

London hat aus seinen Docklands eine boomende Dienstleistungsmetropole gemacht, Hamburg baut mitten im Speicherhafen eine neue Oper. Die Berliner Häfen werden solch bedeutende Neuinszenierungen vorerst nicht erleben. Sie sind schlicht zu klein. Von 120 Häfen und Verladestellen sind derzeit noch rund 60 in Betrieb.

Logistiker Lichtfuß würde freiwillig keinen Quadratzentimeter Hafenfläche abtreten. Die Renaissance des Transportmittels Binnenschiff sei nur eine Frage der Zeit, sagt er. Seine Beweisführung besteht vor allem aus der neuen Siemens-Halle am Westhafen, in der vor kurzem die größte Gasturbine der Welt montiert wurde, um anschließend auf dem Lastkahn durch halb Deutschland bis nach Kehlheim zu schwimmen. 550 Gasturbinen wurden bislang verladen. Bis zu 500 Tonnen können die Schauerleute im Westhafen mit ihren Hebekränen stemmen. Im Normalfall wird jedoch von der Schiene auf den Lkw verladen. Fast täglich kommen Güterzüge mit Importwaren aus den Seehäfen Hamburg und Bremerhaven an, dazu noch ein Zug der Post-Tochter DHL, der die großen Warenhäuser Karstadt und Wertheim beliefert. Pro Jahr passieren 60.000 Container den Westhafen.

Weil das Hafenbecken III zugeschüttet wurde, können neue Logistikhallen gebaut werden. Durchaus hochwertige Waren sollen umgeschlagen werden, allerdings von Lkw auf Lkw. Die Lastwagen poltern fast pausenlos über das denkmalgeschützte Kopfsteinpflaster und die eingelassenen Schienenstränge. Kein Schiffshorn tutet zwischendurch. Mit touristisch verwertbarer Hafenromantik hat das nicht viel zu tun.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false