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Berlin: Ankerplatz der Zukunft

Berlin will sich dem Wasser zuwenden – mit dem Projekt „Mediaspree“

Vor Christian Meyers Fenster im gläsernen „Energie-Forum“ am Stralauer Platz fließt die Spree. Sie ist so breit und so geradlinig wie sonst nirgends in Berlin. Auf der gegenüberliegenden Kreuzberger Uferseite sieht er auf triste Lagerflächen neben dem Viktoriaspeicher. Was für ein Gegensatz zu den schönen, bunt illustrierten Plänen für Neu- und Umbauten beiderseits des Flusses. Danach müsste auf der anderen Seite neben dem alten Speicher ein gläsernes Hochhaus stehen. „Nach derWende hat sich die Stadtplanung auf den Potsdamer Platz konzentriert. Sie müsste es auch mit diesem Gebiet tun,“ sagt Meyer.

Das Gebiet, von dem er spricht, sieht noch immer ziemlich hässlich aus. Hier teilte die Spree auch politisch die Stadt, die Spuren sind noch deutlich. Dagegen helfen nur Visionen. Meyer hat sie – er muss sie auch haben. Er ist Stadtplaner, vor allem aber Geschäftsführer des Vereins „Mediaspree“, dem 23 Investoren angehören, die zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke planen oder schon gebaut haben. „Mediaspree“ macht das Standortmarketing und versucht, das „Image“ des Gebietes zu heben, damit noch weitere Investoren kommen. Meyer soll helfen, die Vision in den nächsten 15 bis 20 Jahren zur Wirklichkeit zu machen.

Attraktive Uferlage, charaktervolle Altbauten, ein großes Potenzial an zusätzlichen Bauflächen – damit hofft er zu punkten. Die Entscheidung des Medienkonzerns Universal, sich hier niederzulassen, war die „Vitaminspritze“ für die Gegend. MTV, Anschutz mit großer Halle und dem von Mediaspree erhofften Riesenrad sind weitere Zugnummern im Osthafenbereich, dazu kommen einige Strände und Clubs. Aber es sind noch viele Brachflächen auf beiden Seiten des Ufers, vor allem in Kreuzberg, im Bereich Köpenicker Straße. „Ankerplatz Zukunft“ heißt der Werbeslogan, der an den Fluss locken soll. Hier an der Spree ist sozusagen das kleine Berliner Gegenstück zur Hafencity Hamburg geplant. Nur: Die Hansestadt, das hat Meyer auf internationalen Immobilienmessen bemerkt, scheint sich einzig auf das Großprojekt seiner Hafencity zu konzentrieren. Während Berlin viel breiter wirbt. Da werden an den Messeständen Prospekte über die Wohnungsgesellschaften, über das Wissenschaftsgelände Adlershof, das Entwicklungsgebiet an der Eldenaer Straße oder auch über die beiden Wasserstädte verteilt. Es wird viel von der Umgebung des Hauptbahnhofs geredet, die nun als neues Stadtviertel mit Wohn- und Geschäftsbauten entwickelt werden müsse. Oder auch vom „Planwerk Innenstadt“, etwa mit den „Townhouses“ an der Friedrichswerderschen Kirche. Das Gelände um den Osthafen aber hätte nach Ansicht von Christian Meyer mehr Aufmerksamkeit verdient.

Für den 3,7 Kilometer langen und besonders breiten Flussabschnitt, über den Meyer wacht, gibt es aber nicht einmal einen einheitlichen Namen, mit dem bei Bauherren geworben werden kann. „Mediaspree“ sagen die (potenziellen) Investoren. Sie finden ihn gut, weil Media nicht nur nach Medien, sondern auch nach Mitte klingt. Aber hat er sich wirklich eingeprägt? Die Behörden sprechen lieber vom „Spreeraum“, auch von „Stadtumbau West“ auf Kreuzberger Seite.

Auf den Simulationen ist die Zukunft schon vor Anker gegangen. Zu sehen ist eine Welt aus Stahl und Glas, aus alten, modernisierten Speichern und Lagerhallen. Alte Heeresbäckerei, Altes Pumpwerk (es wird zum Kulturzentrum), Alte Marmeladenfabrik, Eisfabrik – das sind die Namen, die auf Fahrgastschiffen bei der Durchfahrt immer wieder genannt werden. Die schon gewohnten Trias-Bürobauten (hier will die BVG einziehen), die Verdi-Zentrale, das Energie-Forum in Verbindung mit der Alten Gasanstalt – das sind mit den Medienfirmen oder dem neuen Modezentrum am Osthafen, auch dem Badeschiff, die ersten Highlights. „Das ist alles noch rudimentär“, sagt Meyer, wie etwa die geplanten Uferwege. Auch der Einsatz von Wassertaxis ist fraglich. Aber wichtiger ist den Investoren, die teuren Grundstücke zu vermarkten.

Das Energie-Forum vermittelt eine Ahnung von Zukunft. Hightech-Architektur in Verbindung mit altem Backsteingemäuer. Ein idealer Standort für Mediaspree, eine Vision von attraktivem Arbeiten und Leben am Wasser zu vermitteln.

Die Zwei -Personen-Geschäftsstelle ist nur mit einem Jahresetat von 250 000 Euro ausgestattet, öffentliche Zuschüsse fließen noch bis April nächsten Jahres. Ob sie weiter gewährt werden, ist ungewiss.

Christian van Lessen

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