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Anne Clark: Die Königin, die aus der Kälte kam - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren: Anne Clark ist eine Dark-Wave-Ikone – der perfekte Soundtrack zur Herbstmelancholie. Was Nadine Lange darüber schrieb

Sie trägt die Haare immer noch kurz und blond gefärbt. Und auch ihr Sprechgesang ist noch genauso unverkennbar wie damals tief in den Achtzigern als Anne Clark ihre große Zeit hatte. Hört man sich einen Song wie „Full Moon“ von ihrem letzten Album „ The Smallest Acts of Kindness“ (2008) an, kommt unweigerlich ein Zeitreise-Gefühl auf: treibende Beats, flackernde Synthies, Düsteratmosphäre – alles da. Hätte sowohl damals als auch heute ein Hit sein können. Schließlich werden die Achtziger gerade derart gründlich recycelt, dass dieser Sound schon wieder modern klingt. Viele junge Künstlerinnen wie Bat for Lashes, Soap & Skin oder Client können denn auch den Einfluss von Anne Clark auf ihre Musik kaum verhehlen.

Doch die mittlerweile 50-jährige Britin ist nicht in der Wiederholungsschleife gefangen. So hat sie sich immer wieder in folkige und klassische Gefilde begeben. Auch ein ganzes Album mit vertonten Rilke-Gedichten hat sie aufgenommen. Sie bewundert die Tiefe, die er mit ganz einfachen Mitteln erzeugt. Etwas, das sie mit ihren eigenen Texten ebenfalls geschafft hat. Meist geht es darin äußerst finster zu. Ihr größter Hit trägt nicht zufällig den Titel „Our Darkness“. Programmatisch ist auch ein Stück namens „Weltschmerz“, in dem es heißt: „My world becomes iron and grows as cold as winter“.

Anne Clark kam 1960 als Tochter einer Irin und eines Schotten in London zur Welt. Mit 16 verließ sie die Schule und schlug sich mit diversen Jobs unter anderem in einem psychiatrischen Krankenhaus durch. Begeistert von Punk und New Wave begann sie schließlich im Warehouse Theater Shows für so unterschiedliche Künstler wie Paul Weller, Linton Kwesi-Johnson oder The Durutti Column zu organisieren. Ihr eigenes Bühnendebüt hatte sie 1981 im Vorprogramm von Depeche Mode.

Die zweite Platte „Changing Places“ brachte Clark 1983 den Durchbruch. Mit „Sleeper in Metropolis“ enthielt sie einen ihrer größten Songs, der sie zu einer Vorreiterin des Dark Wave und des Synthie-Pop machte. Nach zwei weiteren erfolgreichen Alben ging Clark 1987 für drei Jahre nach Norwegen, wo sie mit neuen Klängen experimentierte.

In Berlin konnte man ihr Bestreben, sich aus der Elektro-Ecke zu befreien, sehr eindrücklich 1994 in der Passionskirche miterleben: Sie stand mit einer reinen Akustikband auf der Bühne. Piano, Cello, Flöte und Schlagzeug begleiteten ihre melancholischen Seelentrips. Der Live-Mitschnitt dieses Konzertes auf dem Album „Psychometry“ kommt völlig ohne ihre bekanntesten Songs aus und entfaltet eine fast schon kammermusikalische Atmosphäre.

Ganz so andächtig und hitfrei wird es bei ihrem Auftritt am Sonntag im Berliner Postbahnhof sicher nicht zugehen. Darauf deutet schon dass Line-Up hin: Mit Jeff Aug hat sie einen Gitarristen dabei. Steve Schroyder (Tangerine Dream, Star Sounds Orchestra) bedient die Keyboards Er ist neben Pianist Murat Palak, Cellist Jann- Michael Engel und Drummer Tobias Haas der vierte Deutsche in Clarks Band. Im Potsdamer Lindenpark hat diese Besetzung im Sommer bereits das Open-Air-Publikum begeistert. Der Vorteil der Berliner: In den November passt der Sound der finsteren Lady weit besser als in den Sommer. Auf dass die Herbstdepression munter gedeihen möge. Nadine Lange

Konzert: Postbahnhof, So 14.11., 20 Uhr, 20 Euro, anschließend: After Show Party mit Anne Clark und DJ Levski

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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