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Berlin: Anschläge vor dem 1. Mai

Die linke Szene ist zerstritten: Trotz einzelner Taten hofft die Polizei auf ein friedliches Fest in Kreuzberg

Sind die beiden Anschläge vom Wochenende Vorboten des 1. Mai? Tief blickt die Polizei in die Glaskugel, sieht aber dennoch keinen Grund zur Besorgnis. Die linke Szene scheint die Zersplitterung nicht überwunden zu haben, durch die der 1. Mai 2005 zum friedlichsten seit langem wurde. Zumindest einer der Anschläge vom Wochenende ist sicher der linken Szene zuzurechnen: In der Nacht zu Montag griffen Unbekannte das Amtsgericht Lichtenberg an. Die Täter warfen gegen 2.40 Uhr mehrere Scheiben mit Steinen ein, warfen mit Farbe gefüllte Flaschen an die Fassade und hinterließen die Parole: „Staat verrecke – Freiheit für Alle“. Auf der Flucht verstreuten sie auf allen Kreuzungen der Umgebung Dutzende „Krähenfüße“. Drei Privatwagen und ein Polizeiauto fuhren sich so die Reifen platt – ein klassisches Vorgehen Linksautonomer. Wer den Anschlag auf das Polizeipräsidium in der Nacht zuvor verübte, bei dem eine Eingangstür angezündet wurde, ist offen. Dort hinterließen die Täter keine Parolen, Bekennerschreiben liegen nicht vor.

Trotz dieser Taten sieht die Polizei einem ruhigen 1. Mai entgegen, sicher ist das aber nicht. Ein kleiner Unsicherheitsfaktor ist die erstmals in Berlin stattfindende „Mayday“-Parade, die am Nachmittag von Kreuzberg nach Neukölln ziehen will. Die Organisatoren stuft die Polizei als völlig friedlich ein; ungewiss ist, ob sich militante Linke unter die Parade mischen, mangels eigener Demo oder um zu provozieren. „Das weiß kein Mensch, ob die da mitmachen“, hieß es in der Polizeiführung. Intensiv diskutiert die Szene, ob man bei der Parade mitdemonstrieren soll. Wie Philip Stein von „Mayday“ sagte, lehne sich die Parade „Für soziale Rechte weltweit“ an den Karneval der Kulturen und an die Love Parade an, es soll ein halbes Dutzend Lastwagen mit Bands und DJs geben.

Für den 1. Mai ist bislang nur die traditionelle „13-Uhr-Demo“ von Maoisten und Türken angemeldet, die immer friedlich verlief. Für den – krawallträchtigen – Abend ist keine Demo angemeldet. Im vergangenen Jahr hatte es viel Ärger um die „18-Uhr-Demo“ gegeben, die von der Polizei verboten, vom Anmelder Gunnar Krüger dann abgesagt worden war.

Wie es in der Szene hieß, habe Gunnar Krügers „Berliner Anti-Nato-Gruppe“ in diesem Jahr, wie 2005, nur die Walpurgisnacht auf dem Boxhagener Platz in Friedrichshain angemeldet. Dort hatte sich im Vorjahr in der Nacht zum 1. Mai erstmals eine größere Anzahl Autonomer und Punks versammelt, im Mauerpark in Prenzlauer Berg war es völlig ruhig geblieben. Aufflammende Gewalttätigkeiten und Steinwürfe hatte die massive Polizeipräsenz schnell unterbunden. Wie im Vorjahr darf am 30. April der frisch sanierte Platz nicht betreten werden, es gilt ein Dosen- und Flaschenverbot.

Die Rechte wird in diesem Jahr nicht in Berlin marschieren. Nach Angaben von NPD-Parteisprecher Frank Beier mobilisiere man bundesweit nach Rostock. Aus Berlin würden etwa 300 NPD-Anhänger an die Ostsee fahren. Noch 2004 hatte es bei der NPD-Demo massive Zusammenstöße mit Polizei und Linken gegeben.

Auch die Linke sagt Veranstaltungen ab: die so genannten „Mai-Steine“ etwa, die die Polizei 2004 und 2005 durch eine Vielzahl von Aktionen in Atem hielt, deren Wirkung aber verpuffte. Dieser Feststellung des Verfassungsschutzes schlossen sich die Organisatoren an – und konzentrieren sich nun auf den 28. April. An diesem Tag sind mehrere Kundgebungen in Neukölln geplant. Wie ein Aktivist sagte, wolle man den arabischen Schülern der Rütli-Schule Solidarität bekunden, man habe Kontakte zu der Hauptschule geknüpft. Dass die arabischen und türkischen Jugendlichen die Aufmerksamkeit nutzen und am Abend des 1. Mai Krawall anzetteln werden, glaubt die Polizeiführung nicht. Die Polizei unterstützt das Bezirksamt, das in Kreuzberg wieder das „Myfest“ organisiert. Es soll die gesamte Bevölkerung ansprechen und Gewalt verhindern. Das Programm wird morgen vorgestellt.

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