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Bischof Heiner Koch im Trauergottesdienst am Dienstag.

© dpa

Anschlag in Berlin: Hunderte kamen zur Andacht in die Hedwigskathedrale

"Wir lassen uns nicht auseinander treiben", predigte Bischof Heiner Koch. Hunderte Menschen kamen zur Trauerandacht in die Hedwigskathedrale.

Ulrich Laube und seine Frau sind um 12 Uhr zum Trauergottesdienst in die katholische St. Hedwigs-Kathedrale gekommen. Sie sind eigentlich keine Kirchgänger, aber sie wohnen in der Nähe und wollten an diesem Dienstag mit ihrer Fassungslosigkeit nicht alleine bleiben. Denn am Montag waren auch sie auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. Sie waren nachmittags um halb zwei dort. "Wir haben Glühwein getrunken an der Stelle, wo es abends passiert ist", sagt Ulrich Laube. Frau Laube hatte am Montag ihren 59. Geburtstag, sie hatten sich beide extra frei genommen von der Arbeit. Nach dem Bummel über den Weihnachtsmarkt waren sie essen, kurz nach 20 Uhr sind sie mit der S-Bahn vom Bahnhof Zoo zurück nach Mitte gefahren. "Da muss es dann ja direkt passiert sein", sagt Frau Laube und kann es einfach nicht fassen, dass sie verschont blieben und andere sterben mussten, nur weil sie ein paar Stunden später Glühwein tranken.

Vielen laufen Tränen übers Gesicht

Die Kirchenglocke läutet - danach bleibt es erstmal still in der Kathedrale. 500, 600 Menschen haben sich an diesem Mittag versammelt, Katholiken und solche, die mit der Kirche sonst nicht viel zu tun haben, Touristen und Berliner, Ältere und Jüngere. Manche bekreuzigen sich und knien kurz nieder. "Es war Nacht in Berlin", setzt Bischof Heiner Koch mit seiner Ansprache an, "und es ist immer noch Nacht in Berlin." Viele hätten die Nacht ohnmächtig, verzweifelt, voller Wut erlebt, dem Tod und der Gewalt ausgeliefert. "Es ist Nacht in der Welt", sagt Koch und erinnert an die Terrorattacken vom Montag in der Schweiz, in Ankara. Doch Gott fliehe nicht, Gott bleibe bei den Menschen, bei den Verzweifelten , bei den Ohnmächtigen. So sei das vor 2000 Jahren gewesen, als Maria und Josef keine Herberge fanden. So sei es heute. Dafür stehe der Weihnachtsstern.

Etlichen Besuchern laufen Tränen übers Gesicht. "Die Krippe ist leer", sagt Koch, "auch wir können erstmal nur versuchen, die Leere, die Fragen, das Ungelöste auszuhalten und bei den Ohnmächtigen zu bleiben." Die Worte, die Gebete, die Lieder berühren viele Besucher und spülen eigene unschöne Erlebnisse nach oben. "2016 war ein beschissenes Jahr", sagt eine Frau und wischt Tränen. Hier in der Kathedrale sei endlich Raum, um Trauer zuzulassen.

Der Weihnachtsstern führe Menschen zusammen

Der Weihnachtsstern habe vor 2000 Jahren die Menschen zusammengeführt, sagt der Bischof. "Lasst uns ein Stern sein für andere, rücken wir zusammen in dieser Nacht", appelliert Koch an die Besucher. "Wir lassen uns nicht auseinander treiben." Es sei "unerträglich", dass jetzt sofort schon wieder gefordert werde, es müsse politische Konsequenzen geben, unerträglich seien auch die Schuldzuweisungen.

Nach dem Gottesdienst zünden viele Menschen Kerzen an, einige bleiben vor der aufgebauten Krippe stehen. Die hölzerne Maria kniet und deutet mit den Händen nach unten - auf Tannenzweige. Die Figur des Jesus kommt erst am 24. hinzu. Maria zeigt auf eine Leerstelle. Für alle, die Angehörige und Freunde am Montagabend verloren haben, wird sich die Leere nicht mehr füllen lassen.

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