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Das Tatfahrzeug am Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Im Dezember 2016 hatte Anis Amri dort einen Terroranschlag verübt.

© Michael Kappeler/dpa

Anschlag vom Breitscheidplatz: Ermittlungen gegen zwei LKA-Beamte im Fall Amri eingestellt

Innensenator Geisel selbst hatte gegen LKA-Beamte im Fall Amri Anzeige erstattet. Nun sind die Ermittlungen eingestellt. Das hat Folgen für den Untersuchungsausschuss.

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Die Berliner Staatsanwaltschaft hat die von Innensenator Andreas Geisel (SPD) in Gang gesetzten Ermittlungen gegen zwei Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) im Fall des Attentäters Anis Amri eingestellt. Entsprechende Tagesspiegel-Informationen wollte ein Justizsprecher am Dienstag noch nicht bestätigen. Er sagte lediglich: „Die Ermittlungen sind abgeschlossen.“

Erst am Mittwochvormittag informierte die Staatsanwaltschaft in einer Mitteilung darüber und bestätigte damit die Tagesspiegel-Recherchen. Demnach seien die Ermittlungen eingestellt worden, "da gegen beide Beschuldigte nach den durchgeführten Ermittlungen der für eine Anklagerhebung erforderliche hinreichende Tatverdacht nicht nachgewiesen werden kann". Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass bei den beiden Beamten ein strafbares Handeln vorliegt.

Damit könnten die Beamten möglicherweise auch als Zeugen vor dem Amri-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses als Zeugen angehört werden - da sie nicht mehr Beschuldigte sind und sich nicht mehr auf ein Recht zur Aussageverweigerung berufen können.

Geisel hatte 2017 selbst Anzeige gegen die für Terrorabwehr zuständigen LKA-Beamten wegen Aktenmanipulation und Strafvereitelung im Amt erstattet. Der Grund: Der von Geisel eingesetzte Sonderermittler Bruno Jost hatte auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen. Nach dem Anschlag von Amri auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz im Dezember 2016 mit zwölf Toten und Dutzenden Verletzten sollen die Beamten Akten zu Amri verändert haben. Der erste Verdacht - gewerbsmäßiger Drogenhandel, der eine Festnahme ermöglicht hätte - sei nachträglich herabgestuft worden, hieß es. Amri sei im Nachhinein zum Kleinkriminellen deklariert worden. 

Dennoch stellte die Staatsanwaltschaft nur fest: Eine vollendete Strafvereitelung im Amt zugunsten des Attentäters Anis Amri komme - trotz der festgestellten Indizien für ein „Kleinschreiben“ und der „Auffälligkeiten“ –nicht in Betracht, weil Amri zur Tatzeit bereits tot gewesen sei. Zudem erwähnte die Staatsanwaltschaft die "hohe Arbeitsbelastung" der Beamten.

Nach Tagesspiegel-Informationen hatten die Anwälte der Beamten deutliche Kritik am Verfahren geäußert und klare Verstöße gegen zentrale rechtsstaatliche Prinzipien gerügt. Intern wurde damit gerechnet, dass eine Anklage vor Gericht in sich zusammengebrochen wäre. Der Grund: Mit Jost hatte ein nicht am Verfahren Beteiligter Einblick in die Akten. Ähnliches hatte bereits Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk in ihrem Jahresbericht 2017 bemängelt. 

Zudem gibt es grundsätzliche Probleme bei der Überwachung von Gefährdern: Regelmäßig wird für die Genehmigung einer Beobachtung vor Gericht der Verdacht auf einen anderen Straftatbestand  und nicht Terrorismus herangezogen, im Fall Amri soll es der Drogenhandel gewesen sein. Intern wird das Fehlen klarer rechtsstaatlicher Werkzeuge im Kampf gegen den Terror bemängelt. Erst am Dienstag hatte die neue Polizeipräsidentin Barbara Slowik erklärt, es seien klare Standards für die Beobachtung von Gefährdern nötig.

Die Staatsanwaltschaft äußert sich auch zu Frage, ob der Anschlag hätte verhindert werden können. In der Erklärung der Behörde heißt es: "Die durchgeführten Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte erbracht, dass beide Beschuldigten vor dem Anschlag am 19. Dezember 2016 Handlungen vorgenommen oder unterlassen haben, um eine Vereitelung der Bestrafung des Amri oder anderer Personen zu erreichen."

Ein dringender Tatverdacht, der zwingende Voraussetzung eines Haftbefehls ist, habe sich aus den im Verfahren zum Drogenhandel gewonnenen "(Zufalls-)Erkenntnissen" gegen Amri nicht ergeben. Und selbst wenn es einen Haftbefehl wegen Drogenhandels gegeben hätte, "kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass Amri bis zum Anschlag am 19. Dezember 2016 tatsächlich festgenommen worden wäre", erklärte die Staatsanwaltschaft nun.

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