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Anschnallpflicht: Berliner Polizei registriert 719 Kinder ohne Sicherung im Auto

Kinder sind bei Autofahrten zur Schule häufig nicht gesichert. Und Appelle, grundsätzlich lieber zu Fuß zu gehen, blieben bisher erfolglos.

Eingeklemmt zwischen Vordersitz und einem Fahrrad auf dem Rücksitz. Oder sitzend auf dem Getriebetunnel. Und stets ungesichert. Was Frank Fleischhauer vom Auto Club Europa (ACE) am Donnerstag vor einer Grundschule sehen musste, machte ihn sprachlos. Der Club hatte per Augenschein vor einer Schule in Grünau kontrolliert, wie die Kinder in den ankommenden Autos gesichert waren.

Das Ergebnis ist nach Ansicht des SPD-Verkehrspolitikers Ole Kreins „alarmierend.“ Zehn Kinder hatten gar keinen Schutz, 30 hatten nur einen – unzureichenden – Erwachsenengurt angelegt. Damit waren in knapp der Hälfte der 101 beobachteten Autos die mitgebrachten Kinder latent in Lebensgefahr.

Seit 40 Jahren gilt die Pflicht zum Anschnallen in Autos. Noch immer gebe es aber zu viele „Gurtmuffel“, klagt ACE-Sprecher Hans-Jochim Hacker. Vor allem Kinder seien häufig völlig ungesichert. In Berlin hatte die Polizei im vergangenen Jahr 719 Kinder ohne jegliche Sicherung in Autos registriert. Zwölf Mal fuhren gleich mehrere völlig ungeschützt mit, wie die Innenverwaltung vor Kurzem auf eine Anfrage des Abgeordneten Kreins mitgeteilt hatte. Das war – nach der Statistik – der höchste Stand in den vergangenen fünf Jahren. In der Regel werden Verstöße „durch die äußere Erkennbarkeit“ registriert, teilte Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) mit.

Hunderte Kinder verunglücken

Dass Kinder häufig ungesichert zur Schule gebracht werden, führt Hacker auf eine zunehmende Gleichgültigkeit im Verkehr zurück. Einige Eltern sparten sich die Zeit, die erforderlich ist, die Kindersicherung vollständig vorzunehmen. Dagegen ist für Erwachsene das Anlegen des Gurts nur ein Routinegriff. In Grünau waren laut Fleischhauer bei der ACE-„Kontrolle“ die Fahrer, die ihre Kinder nicht gesichert hatten, selbst angeschnallt. Auffallend sei gewesen, dass die zur Kita gebrachten Kinder alle gesichert waren, sagte Fleischhauer weiter. Bei größeren lasse die Sorgfalt wohl nach.

Jedes Jahr verunglücken in Berlin hunderte Kinder als Mitfahrer in einem Auto, warnt die Polizei auf einem Flyer. Für ein Kind könne dies tödlich enden. Ob verunglückte Kinder die vorgeschriebenen Rückhalteeinrichtungen genutzt hatten, könne aber nicht festgestellt werden, erklärte Krömer in der Antwort auf die Anfrage. Diese Angaben gehörten nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen „statistischen Erhebungsmerkmalen“.

Das Mitfahren im Auto ist nach ACE-Angaben „die unfallträchtigste Art der Fortbewegung für Kinder“. Bundesweit seien 2014 insgesamt 10 765 Kinder unter 15 Jahren als Mitfahrer in einem Auto verunglückt – die höchste Zahl seit 2007. Der Grund sei meist die unzureichende Sicherung gewesen.

Bußgeld in Höhe von 60 Euro

Wer ein Kind im Auto gar nicht sichert, kann mit einem Bußgeld in Höhe von 60 Euro belangt werden. Fahren sogar mehrere ungesicherte „Minis“ wird, sind 70 Euro fällig. Dazu kommt jeweils ein Punkt in der Sünderkartei. Und mit acht Punkten ist bekanntlich der Führerschein futsch. Sind Kinder „nur“ nicht vorschriftsmäßig gesichert, weil zum Beispiel die Sitzerhöhung fehlt, beträgt das Verwarnungsgeld 30 Euro. Unabhängig davon sollten Eltern verantwortungsvoll handeln, appellierte Kreins.

Gefährdet seien Kinder aber nicht nur durch fehlende Sicherungen im Auto, sagte Fleischhauer. Bei der Aktion in Grünau seien viele Fahrer auch ziemlich rücksichtslos weggefahren, nachdem die Kinder ausgestiegen waren. Dadurch sei es zu weiteren Gefährdungen gekommen – dieses Mal auf der Straße.

Dabei gibt es seit1994 Aktionstage „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten“; am 22. September wird jeweils zu einer weltweiten Aktion aufgerufen. Die Resonanz ist bisher gering. Nach wie vor gibt es vor Unterrichtsbeginn vor vielen Schulen auf der Straße ein mehr oder weniger großes Durcheinander. Ist die Straße auch noch schmal, blockieren sich ankommende und wegfahrende Autos gegenseitig. Kinder steigen zudem oft auf der Straßenseite aus und gefährden sich dadurch erheblich.

Gerade weil die Resonanz noch gering ist, sei es wichtig, die Aktionen fortzusetzen, sagte Simon Hüther vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Der Verzicht aufs Auto erhöhe nicht nur die Sicherheit. Auch die Umwelt profitiere davon.

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