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Berlin: Anstoß ins Leben

Die erste Taufe im Olympiastadion: Der kleine Alexander wurde während des WM-Halbfinales geboren

Es war ein packender Abend, WM-Halbfinale, 4. Juli 2006. Dennis Kutrieb saß nervös im Zimmer des Krankenhauspförtners, der Fernseher flimmerte, ein Italiener lief in Dortmund gerade zum Eckball an – da kam nebenan Sohn Alexander zur Welt. Zwölf Minuten waren gespielt.

„Bei der Geburt war Dennis ganz schnell bei mir“, sagt die Mutter, Mirja Kutrieb, 35, und muss lachen, als sie das erzählt. „War kein Problem, ich habe nun mal eine fußballverrückte Familie.“ Und wer konnte schon vorher ahnen, dass die Deutschen im WM-Halbfinale stehen würden, an diesem 4. Juli, um 21.12 Uhr? Vater Dennis lächelt und meint: „Verloren hat Deutschland dann ja auch, nichts verpasst also.“

Den Entbindungstermin konnten sich die Eltern schlecht aussuchen, sehr wohl aber den Ort der Taufe. Und so stehen sie an diesem sonnigen Freitagnachmittag im Olympiastadion, im Arm den kleinen Alexander, der sehr entspannt wirkt. „Wenn er erwachsen ist“, sagt der Sportpfarrer der evangelischen Kirche, Bernhard Felmberg, „wird er wissen, dass er das erste Kind war, das in der Kapelle des Olympiastadions getauft wurde.“ Die Kapelle befindet sich ganz tief unten im Stadion, neben den Kabinen, nah am Spielfeldrand. 20 Familienangehörige sind gekommen, sie beten und singen, im Hintergrund spielt die Orgel.

In der ersten Reihe der ellipsenförmigen Kapelle mit den goldenen Wänden sitzt Vater Dennis. Er ist 26 Jahre alt und spielt in der viertklassigen Oberliga beim Weddinger Klub Berlin Ankaraspor, war früher beim BFC Dynamo und in Oberhausen. Der Onkel hat Alexander am Tag nach der Geburt gleich bei Hertha BSC als Vereinsmitglied eingeschrieben, erzählt die Mutter, „nur ich spiele nicht Fußball“, sagt sie, fast entschuldigend. Sie ist medizinische Fußpflegerin; die Familie wohnt in Lankwitz.

Der Taufspruch, den sich die Eltern ausgesucht haben, stammt aus dem JohannesEvangelium. Dort sagt Jesus Christus: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Das passe gut zu der goldenen Kapelle und zum Stadion, in dem so oft die Flutlichtmasten brennen. Alexander ist das eher schnuppe, auch als der Pfarrer das Wasser auf seine Stirn träufelt, liegt er ganz ruhig im Arm seines Vaters.

Die Eltern zahlten rund 100 Euro Miete, um ihren Sohn in der Kapelle taufen zu lassen, ein Rabatt fürs erste Mal. In Zukunft sind 200 Euro fällig, um die Unkosten auszugleichen. Monatlich muss die Kirche 500 Euro Miete an das Stadionmanagement zahlen. Die nächsten beiden Taufen sind bereits angemeldet, Gottesdienste stehen im Stadion an und auch Religionsunterricht, sagt Pfarrer Felmberg. Und bestimmt auch bald die erste Trauung. Denn beeindruckend sei der Ort schon, sagt Vater Dennis Kutrieb, als er im leeren Stadion steht, mit Alexander im Arm. Vermutlich hat sich der Papa am meisten gefreut.

André Görke

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