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Berlin: Apothekern drohen harte Strafen

Patienten mussten verschriebene Medikamente selbst zahlen / Aktion am Abend beendet

Viele Kranke mit einem Rezept ihres Arztes wollten es gestern nicht glauben: „Ich muss erst prüfen lassen, ob ihre Kasse die Kosten übernimmt. Das kann ein paar Tage dauern. Sie können aber auch selbst zahlen.“ Mit dieser Protest-Haltung von Apothekern wurden Versicherte der AOK-Berlin konfrontiert, ebenso Mitglieder ostdeutscher Betriebskrankenkassen (BKK) und der Innungskrankenkasse (IKK) Berlin-Brandenburg.

Die Kassen drohten am Montag mit Sanktionen: „Die Apotheken sind gesetzlich verpflichtet, die Arzneien auf Rezept abzugeben. Sie riskieren sonst Geldstrafen und den Entzug der Zulassung, Kassenpatienten zu versorgen“, sagt Rolf Müller, Chef der AOK-Berlin. Rund 150 Apotheker-Anfragen auf Kostenübernahme hat die AOK gestern bearbeitet, weitere 70 trafen bei der IKK ein. Auch bei der BKK Berlin liefen die Faxe heiß.

Am Abend machte der Apothekerverband dann einen Rückzieher: Der Protest habe die Kassen zum Einlenken gezwungen, so Verbandschef Rainer Bienfait. Deshalb würden ab Dienstag die Versicherten wieder ohne Einschränkung versorgt.

Hintergrund ist ein Streit zwischen den Kassen und dem Berliner Apothekerverband über den Zeitpunkt, an dem die Kassen die eingereichten Rezepte bezahlen. Bisher galt, dass die Apotheker zur Monatsmitte einen 50-prozentigen Abschlag des zu erwartenden Umsatzes erhielten. Bundesweit ist das einmalig; in anderen Bundesländern zahlen die Kassen vier Wochen nach Rechnungsabschluss, also zum Ende des Folgemonats. Durch diese Neuregelung würde sich für die Berliner Apotheker einmalig eine Abschlagszahlung verschieben – für eine durchschnittliche Apotheke sind das etwa 30 000 Euro, die dann zwei Wochen später kämen.

„An unserer Verhandlungsposition hat sich nichts verändert“, sagt AOK-Sprecherin Gabriele Rähse. Man habe schon vor Tagen angeboten, die „kulanten Zahlungsmodalitäten“ beizubehalten – jedoch nur dann, wenn man endlich einen neuen Arzneimittelliefervertrag abschließe. Den alten hatten die Kassen zum 31. Dezember 2002 gekündigt und sich mit dem Apothekerverband bisher nicht auf eine Neuauflage einigen können. „Die ganze Aktion war eine unnötige Verunsicherung der Patienten“, sagt Rähse.

Angesichts des geringfügigen Anlasses verstanden viele Apotheker das Vorpreschen ihres Verbandsvorstandes nicht. „Ich kann meinen Kunden doch gar nicht verständlich machen, worum es bei dem Streit geht“, sagt Rolf Grauert von der Kreuzberger Kaiser-Apotheke. Deshalb bekamen alle Kassenpatienten bei ihm ihr Rezept eingelöst.

Eine Kollegin sah das anders: „Wenn das Medikament nur fünf oder zwanzig Euro kostet, dann kann der Patient das auch vorschießen“, sagt eine Kreuzberger Apothekerin, die nicht genannt werden möchte.

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