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Berlin: Arbeitsinsel

Von Christian van Lessen Heute habt ihr die große Hauptstadt wieder mal (fast) für euch allein. Der hiesige Handel jubiliert schon, und das sei ihm gegönnt, denn viel zu lachen hat er seit Monaten nicht.

Von Christian van Lessen

Heute habt ihr die große Hauptstadt wieder mal (fast) für euch allein. Der hiesige Handel jubiliert schon, und das sei ihm gegönnt, denn viel zu lachen hat er seit Monaten nicht. Die ganze Stadt wird von eurem hoffentlich massenhaften Besuch profitieren, menschlich von Nachbar zu Nachbar, und wirtschaftlich sowieso. Es wird in den Einkaufszonen wieder richtig eng und voll sein, eine Generalprobe für das Weihnachtsgeschäft. Es kommen Zehntausende aus allen Ecken eures schönen Landes, mit Taschen voller Geld. Und nicht nur unsere Geschäfte und Restaurants, auch unsere Bäder und Museen und natürlich auch der Zoo und der Tierpark nehmen es gern entgegen.

Vielleicht werden einige von euch, die hier arbeiten müssen, ein wenig neidisch sein. Wir Berliner, seid sicher, kennen solchen Neid nicht. Warum auch? Es hat seinen bittersüßen Reiz, eine arbeitende Insel im Meer des seligen Nichtstuns zu sein. Wir können euch, den lieben Nachbarn, mal richtig zeigen, wie wir schuften fürs Bruttosozialprodukt, auch wenn wir gerade das Gefühl haben, von Tag zu Tag ärmer zu werden.

Also, liebe Brandenburger, kauft ein, habt Spaß und seht, wie wir unter Dampf stehen. Und vergesst in einer ruhigen Minute Martin Luther und den letzten DDRMinisterrat nicht, der die „Wiedereinführung“ gesetzlicher Feiertage verordnete, worunter der Reformationstag für „Territorien mit überwiegend evangelischer Bevölkerung“ fiel.

Überhören wir die bösen Zungen, die immer noch mäkeln, dass nur überwiegend 23 Prozent eurer Bevölkerung evangelisch sind. Aber wir wollen kurz und etwas stolz bemerken, dass wir es mit fast 25 Prozent noch viel, viel überwiegender sind. Und deshalb freuen wir uns, bei einer Länderfusion eure christliche Errungenschaft zu übernehmen und irgendwann wirklich wiedervereint heute frei zu haben. Die Geschäfte sind dann überall zu. Aber die Kirchen haben geöffnet.

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