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Berlin: Arbeitsrechtler: Gamperl hat gute Chancen auf Abfindung

Wirtschaftssenator Wolf nennt Forderungen von 630 000 Euro „unanständig“. Experten warnen: Eine Niederlage vor Gericht könnte viel mehr kosten

Nach der fristlosen Kündigung des Vorstandsvorsitzenden der Berliner Stadtreinigung (BSR) geht es jetzt ums Geld. Wirtschaftssenator Harald Wolf selbst brachte die „unanständigen“ Forderungen von Gerhard Gamperl an die Öffentlichkeit. Dessen Rechtsanwälte wollten die Zahlen „nicht bestätigen“. Wolf nannte eine Forderung in Höhe von 630 000 Euro. Zuzüglich 70 000 Euro Beraterkosten für die Suche eines neuen Jobs. Weitere 70 000 Euro würden für Anwaltsrechnungen fällig. Dazu kommen Rentenansprüche für die verbleibende Vertragslaufzeit von 36 Monaten.

Für den Wirtschaftssenator sind das „vollständig inakzeptable Forderungen für zwei Jahre bescheidene Arbeit“. Gamperls Anwältin Jutta Glock dagegen nennt die Verhandlungsgrundlage „moderat“: „Und es ist unseriös mit der Nennung einer Summe den Sozialneid zu schüren.“ Das Risiko, eine hohe Abfindung bezahlen zu müssen, geht der Aufsichtsrat bereits bei der Einstellung eines Managers mit Spitzengehalt ein, sagen Arbeitsrechtler. Denn wenn ein Kontrollgremium die Personalentscheidung vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit korrigieren muss, koste das bei gut bezahlten Posten fast immer sehr viel Geld.

Aber nicht immer. Darauf setzt Wolf: Hat seine „fristlose Kündigung“ vor Gericht Bestand, dann müsste die BSR Gamperl nichts bezahlen. Doch Arbeitsrechtler warnen: „Dazu muss ein eindeutig nachweisbarer konkreter Grund für eine grobe Pflichtverletzung vorliegen“, sagt beispielsweise Martin Heither. Und: Der Gerichtsweg sei ein „Vabanquespiel“. Es gehe dann um „alles oder nichts“. Verliert Wolf gegen Gamperl, dann muss er dessen volle Bezüge drei Jahre weiter zahlen – Gerichts- und Anwaltskosten obendrein. Das wäre viel mehr als die bisher im Raum stehenden Summen. „Deshalb zieht man bei einem Streit zwischen Aufsichtsrat und Manager nur in einem verschwindend geringen Teil der Fälle vor Gericht“, sagt Anja Mengel, Arbeitsrechtsspezialistin bei der Wirtschaftskanzlei Wilmer Hale.

Beispiel Ron Sommer. Der geschasste frühere Manager der Telekom, damals ähnlich wie die BSR ein Unternehmen im Eigentum der Öffentlichen Hand, erhielt Millionen aus seinem Arbeitsvertrag, der vorzeitig aufgelöst wurde. Dabei war hier ein Schaden zu vermuten: Der Kurs der „Volksaktie“ Telekom war unter Sommer eingebrochen. Obwohl viele Kleinanleger zürnten, weil sie ihr Geld verloren hatten, ließ sich die damalige Schröder-Regierung nicht zu einer „fristlosen Kündigung“ hinreißen.

Das liegt daran, dass „die Latte bei der Begründung einer fristlosen Kündigung vor Gericht sehr hoch liegt“, so Mengel. Zwar habe auch sie einen solchen Prozess schon einmal gewonnen, weil ein Manager „Schlechtleistungen“ erbracht und in wichtigen Fragen der Geschäftsführung falsch gehandelt hatte. Ein Ausgang des Prozesses sei aber im Vorhinein nur bei nachweisbaren Selbstbereicherungen oder anderen Straftaten kalkulierbar. Mengel sagt: „Wenn sich Wolf auf diesen Rechtsstreit einlässt, wird er sich seiner Sache aber wohl sicher sein.“

Der Wirtschaftsprofessor an der Humboldt-Universität Hans-Peter Schwintowski sagt: „Die bisher genannten Gründe reichen nicht aus für eine fristlose Kündigung.“ Wichtige Gründe seien solche, die das Vertrauensverhältnis so grundsätzlich zerstörten, dass eine weitere Zusammenarbeit völlig unzumutbar sei. Die von Wolf als Entlassungsgründe genannte steuerliche Behandlung von Abfall und unvollständige Information des Aufsichtsrats zählten nicht dazu.

„Wir kennen keinen stichhaltigen Grund für die fristlose Kündigung, deshalb würde ein Prozess zum Schaden des Landes laufen“, sagt Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Uwe Goetze, nannte Wolfs Begründung für die Entlassung „vorgeschoben“. Der geschasste BSR–Manager selbst hatte wiederholt seine Bereitschaft zu weiteren Gesprächen erklärt.

Gamperls Entlassung wird auf einer Sondersitzung des Beteiligungsausschusses nächsten Dienstag behandelt, sagte dessen Vorsitzender Stefan Zackenfels.

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