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Archäologische Grabungen: Pläne für U-Bahnhof am Roten Rathaus werden überarbeitet

Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer will möglichst viel von den entdeckten Gemäuern erhalten. Archäologen und BVG-Manager kommen nun wöchentlich zusammen, um die Bahnhofspläne anzupassen.

Superlative aus dem Munde der Senatorin für Stadtentwicklung – das war in der bisherigen Amtszeit von Ingeborg Junge-Reyer (SPD) eine Seltenheit. Die Entdeckung überraschend gut erhaltener Teile des mittelalterlichen „Alten Rathauses“ vor dem Dienstsitz des Regierenden Bürgermeisters hat das geändert. Ein „ganz besonderes Geschenk“ nannte die Senatorin die Funde. Diese böten die „unglaubliche Chance, die Planungen am Rathaus-Forum zu überdenken“. Junge-Reyer sagte weiter, sie sei „sicher, dass wir die dazu notwendigen finanziellen Mittel in die Hand nehmen“.

Das sagte Junge-Reyer am Montag vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung nach der Besichtigung der Grabungsstätten. Mancher Abgeordnete traute seinen Ohren nicht. Denn im Vorfeld der Sitzung waren sich nicht einmal die Archäologen um Landeskonservator Jörg Haspel sicher, ob der Senat von der bestehenden U-Bahn-Planung abrückt. Danach wären die historischen Gemäuer, wie berichtet, abgeräumt worden, um Platz für den Eingang zum U-Bahnhof der Linie U 5 zu schaffen, der just dort geplant ist, wo bis 1865 das Alte Rathaus stand – und nun die Funde liegen.

Gegen die Erhaltung des Erdgeschosses des Rathausbaus macht nicht einmal die neue BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta Front. Den Abgeordneten erteilte sie bei der Anhörung eine Lektion in Pragmatismus: „Wir sind in der Rolle des Arbeitnehmers und führen das aus, was die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wünscht.“ Andere Interessen, als einen „funktionsfähigen Bahnhof zu bauen“, habe die landeseigene Berliner Verkehrsgesellschaft nicht. Wie sie weiter berichtete, kommen Archäologen und BVG-Manager nun wöchentlich zusammen, um die Bahnhofspläne so anzupassen, dass viel vom Alten Rathaus erhalten bleibt.

Die kleinste Operation wäre eine Verlegung des südlichen Zugangs nach Norden. Dadurch könnten zwei der vier „Schiffe“, wie die Gebäudeteile des Rathauses genannt werden, erhalten bleiben. Will man das dritte und vielleicht sogar das vierte Schiff retten, müsste der Bahnhof um etwa fünf Meter nach Norden verlegt werden, was mit Mehrkosten verbunden ist. Die Archäologen möchten ferner auf der anderen Seite der Rathausstraße die Keller der Patrizierhäuser erhalten. Ganze Blöcke blieben unter dem Märkischen Sand erhalten und lassen den Grundriss der historischen Stadt sichtbar werden. Wände aus rotem Backstein und eleganten Gewölbe sind Zeugnisse früher Baukunst, die für Landeskonservator Jörg Haspel auf wohlhabende Bewohner des mittelalterlichen Zentrums schließen lassen. Die Rathausstraße, früher Königsstraße, war die wichtigste Verkehrsachse des alten Berlin und lag auf halbem Wege von Marien- und Nikolaikirche. Die Spuren eines geschäftigen Viertels werden hier ausgegraben, dessen Zentrum das Alte Rathaus war. Dieser wichtigste und größte „Profanbau“ war zugleich ein Handelshaus mit Tuchhalle: Nadeln, Fingerhüte und Münzen haben die Archäologen gefunden. Eine „völlig neuen Dimension der Stadtgeschichte“ verspricht sich Haspel aus deren Einordnung.

Dies erklärt wohl auch die Begeisterung der Senatorin: Das Alte Rathaus und die Bürgerhäuser könnten mit den ausgegrabenen Schlosskellern sowie den Funden am Petriplatz die drei wichtigsten von geplanten 21 Stationen werden auf der Reise durch das „historische Berlin“ mit Schautafeln und einem archäologischen Besucherzentrum am Petriplatz.

In den Fraktionen kommt das gut an. Am Ende der Anhörung stellte der Ausschussvorsitzende Thomas Flierl (Linke) fest, dass „ein breiter Konsens im Abgeordnetenhaus darüber besteht, die Funde so weit als möglich und vielleicht sogar ganz zu erhalten“. Ralf Schönball

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