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Unter den Linden, hinter dem Schloss. Durch die Öffnung des Baus würde Braunfels gern einen Boulevard schaffen, der bis zum Rathaus-Forum reichen würde. Oben rechts ist die Perspektive vom Schloss aus zu sehen. Rechts unten: der Entwurf von Schlossarchitekt Franco Stella, der tatsächlich gebaut wird. Simulationen: Braunfels/Stiftung Berliner Schloss

© Promo

Architekt Braunfels fordert: Öffnet das Stadtschloss!

In diesem Leserbrief des Architekten Stephan Braunfels entgegnet der Baumeister den Äußerungen von Schlossarchitekten Franco Stella und Schlossförderer Wilhelm von Boddien. Und fordert mehr Wahrheitstreue bei der Kritik an seinem Entwurf.

Ich kann ja verstehen, dass Franco Stella – nachdem er am Schlosswettbewerb irregulär teilgenommen und gewonnen hat – nicht immer wieder mit einem Entwurf konfrontiert werden möchte, der „regulär“ aus dem Wettbewerb ausgeschieden wurde. Denn mein Entwurf entlarvt Stellas spätere nackte Ostfront als „Des Kaisers neue Kleider“.

Wahrheitstreuer sollte Stella aber endlich werden – wenigstens bei seiner Kritik an meinem Entwurf. Eine „verfälschte barocke Fassade, wo das Schloss nie eine hatte“, wie Stella mir jetzt im Gespräch mit dem Tagesspiegel vorgeworfen hat, ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Eine neue „barocke“ Fassade – statt seiner merkwürdigen Friedhofs-Urnenwand – habe ich ja gerade nicht geplant. Die Fassade auf der Westseite des von mir nach Osten geöffneten Schlüterhofs stammt von Schlüter selbst. Also von wegen „verfälscht“. Mit dem Vorwurf der Fälschung sollte Stella vorsichtig umgehen. Er nahm, wie er zugeben musste, irregulär am Schlosswettbewerb teil. Er war gar nicht teilnahmeberechtigt. Um sich die Teilnahme zu erschleichen, machte er falsche Angaben über die Anzahl seiner angestellten Mitarbeiter. Dass er danach einverstanden ist mit der internationalen Jury, die etwa 50 andere Schloss-Entwürfe „besser bewertete“ als meinen Entwurf, ist Chuzpe: Die Jury hat meinen Entwurf gar nicht bewertet sondern wegen „Nichteinhaltung der Vorgaben“ ausgeschieden. Die Vorgabe, die östliche Hoffassade Schlüters wiederzuerrichten, wurde vor dem Wettbewerb festgelegt, um meinen Entwurf mit der Öffnung und Wendung des dreiseitigen Schlüterhofs zur Stadtmitte ausscheiden zu können, ja zu „müssen“. Mein Entwurf war ja allgemein bekannt, also auch der Jury.

Hinter dieser Vorgabe steckte niemand anderer als Schlossbaron von Boddien, der meinen Entwurf aus der Entstehungszeit kannte und mich damals immer wieder zu überreden versuchte, meine Hauptidee aufzugeben und den Schlüterhof wieder zu schließen, um ihn später für kommerzielle Veranstaltungen mit einem Glasdach überdachen zu können.

Nachdem ich auf meiner „Jahrhundertidee“ (Kultursenator Christoph Stölzl) bestand, den Schlüterhof auf die Mitte Berlins zu öffnen, wurde von Boddien mein Gegner. Meinen Versuch, zu verhindern, dass diese Jahrhundertchance Berlins an der Urnenwand Stellas zu Grabe getragen wird, „verantwortungslos“ zu nennen, ist empörend. Verantwortungslos handelt von Boddien, wenn er mit „ungefähr drei Jahren Baustillstand“ droht, falls mein Vorschlag doch noch umgesetzt würde.

Das ist Blödsinn, denn alle Teile des Schloss können ohne Planungsänderung weitergebaut werden, nur der mittlere Teil des Ostflügels wird einfach gestoppt. Dass „das ganze Humboldtforum umgeplant werden muss“ wie Boddien behauptet, ist Polemik. Genauso, dass „erhebliche Schadensersatz-Klagen von Hochtief“ ins Haus stünden und der Verzicht auf den Osttrakt „die Kosten erhöhen, nicht senken“ werde. Die Kosten sind doch schon wenige Monate nach Baubeginn von 540 auf 620 Millionen Euro gestiegen, jetzt schon um genau die 80 Millionen Euro also, die Boddien für die historischen Fassaden sammeln muss. Das ficht den Schlossbaron nicht an.

Als „Scharlatan“ bezeichnet er mich, weil ich „nur schöne Landschaftszeichnungen“ geliefert habe. Dabei verschweigt er, dass ich schon in der Vorrunde des Architektenwettbewerbs nachgewiesen hatte, dass das geforderte Raumprogramm ohne Ostflügel unterzubringen ist, ja dass das Budget überhaupt nur eingehalten werden kann, wenn der Osttrakt eben nicht gebaut wird. Mir, einem der anerkanntesten Architekten Deutschlands, den Vorwurf der „Scharlatanerie“ zu machen, ist nicht nur ehrenrührig – es ist absurd.“

Die hier geäußerten Ansichten sind Auffassungen von Stephan Braunfels, sie stimmen nicht zwingend mit denen der Redaktion überein.

Stephan Braunfels

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