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SPD-Ortsfunktionär Brückmann liest Giffey die Leviten - unter falschem Namen.

© Felix Hackenbruch/Tagesspiegel

Ärger in Berliner Ortsverband: Mit falschem Namen in der SPD – Handelsblatt beurlaubt Mitarbeiter

Jahrelang engagiert sich ein Journalist mit verschleierter Identität in der Pankower SPD, zuletzt polterte er gegen Franziska Giffey. Ein Auftritt, der Folgen hat.

Matthias Brückmann tritt entschlossen ans Rednerpult. Eben hat hier, im Saal der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Pankow, noch Franziska Giffey 20 Minuten für Verhandlungen zwischen CDU und SPD geworben. Direkt danach folgt der Aufritt Brückmanns – und er rechnet drei Minuten lang mit seiner Landesvorsitzenden Giffey ab. Ein „Wählerschreck“ sei sie im Wahlkampf gewesen. Nun habe sie sich der CDU an den Hals geworfen und führe die Partei in den sicheren Abstieg.

Es ist ein Auftritt mit Folgen. Zwar folgt die SPD Pankow mehrheitlich Giffeys Kurs, doch mehrere Medien, auch der Tagesspiegel, berichten über Brückmann. In der „Abendschau“ des RBB wird seine Kritik prominent gesendet. Es ist ein Rampenlicht, das Brückmann, der jahrelang die SPD-Abteilung Winskiez-Kollwitzplatz geführt hat, letztlich mehr schadet als Giffey. Denn einen Matthias Brückmann gibt es gar nicht.

Schon kurz nach der Wutrede des Delegierten entlädt sich der Ärger über ihn in einer internen Whatsapp-Gruppe der SPD Pankow. Ein „Armutszeugnis“, nennt den Auftritt Alfonso Pantisano, Beisitzer im Kreisvorstand. Ihn ärgert vor allem ein Umstand: „Was ich ganz großartig finde – das Maul groß aufreißen und dann (wie früher) mit falschem Bart und heute mit falschen Namen einen auf Wutbürger machen und nicht mit offenem Visier arbeiten“, schreibt Pantisano in dem Chat, der dem Tagesspiegel vorliegt.

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Falscher Bart, falscher Name

Tatsächlich verschleiert Brückmann seit Jahren seine Identität in der SPD. Auf Fotos hält er sich im Hintergrund, er schickt E-Mails unter falschem Namen und versucht selbst auf Parteitagen unerkannt zu bleiben. 2016 votierte er als einer von nur zwei SPD-Delegierten gegen die Spitzenkandidatur von Michael Müller. Der Tagesspiegel notierte damals: „Eine zweite Person, die gegen Müller votierte, verschwand unmittelbar nach der Abstimmung. Sie trug einen falschen Bart. Der Mann war nicht mehr aufzufinden.“

Sieben Jahre später ist klar, dass die Person nicht nur einen falschen Bart, sondern auch einen falschen Namen trug. Denn mit richtigem Namen heißt er Mathias Brüggmann, arbeitet als International Correspondent beim Handelsblatt und berichtet dort vor allem über Russland, den Nahen Osten, am Rande ab und an aber auch über die SPD. Auch der Tagesspiegel, der zur gleichen Verlagsgruppe wie das Handelsblatt gehört, hat vier Texte von Brüggmann übernommen.

Der Chefredaktion war das politische Amt von Handelsblatt-Redakteur Mathias Brüggmann nicht bekannt.

Aus der Stellungnahme des Handelsblatts

Nachdem der Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint den Vorgang öffentlich gemacht hat, teilt das Handelsblatt am Mittwoch auf Anfrage mit: „Der Chefredaktion war das politische Amt von Handelsblatt-Redakteur Mathias Brüggmann nicht bekannt.“ Nach Bekanntwerden der Vorwürfe sei er beurlaubt worden, bis die Zusammenhänge lückenlos geklärt seien. „In einem nächsten Schritt wird eine Kommission Brüggmanns Texte untersuchen, ob sie unserem Anspruch an redaktionelle Unabhängigkeit gerecht geworden sind.“ Brüggmann selbst will sich zu den Vorwürfen zu seiner Person nicht äußern.

Verschlossen gibt sich auch die SPD Pankow, in der Brüggmanns Doppelrolle wohl ein offenes Geheimnis war. Eine Anfrage an den Kreisvorstand bleibt unbeantwortet, der Kreis-Vorsitzende Dennis Buchner teilt mit, man werde parteiinterne Lagen und Konflikte intern besprechen. Auch Alfonso Pantisano, der intern Kritik an Brüggmann übt, lehnt ein Gespräch ab: „Wenn ich etwas zu besprechen habe, mache ich das in meiner Partei, aber nicht mit dem Tagesspiegel.“

Doch intern ist längst ein Streit in der SPD Pankow über den Umgang mit Brüggmann entbrannt. „Das ist weder ehrlich noch demokratisch, sondern betrügerisch“, schreibt Pantisano in dem Chat. Doch für seine Kritik steht auch er in der Kritik: „Was jetzt hier passiert, ist für mich eine Deffamierung [sic!] einer Person!“, schreibt Diana Giannone, ebenfalls Beisitzerin im Kreisvorstand. Eine andere SPD-Frau schreibt gar von einer „Hinrichtung“.

Warum Brüggmanns Doppelrolle in der Partei niemanden gestört hat, bleibt unklar. Seine politische Karriere scheint jedoch ohnehin zu stagnieren. Den Vorsitz der mitgliederstarken Abteilung Winskiez-Kollwitzplatz hat Brüggmann schon vor einigen Monaten verloren – an den langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup. Auch er lässt eine Anfrage per Mail unbeantwortet. Als stellvertretender Vorsitzender ist Mathias Brüggmann jedoch weiter aufgeführt – allerdings als Matthias Brückmann.

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