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Halt doch mal. Künstlerin Elisa Daubner (rechts) durfte ihre Installation für einen Tag im „Art Truck“ zeigen. Veranstalterin Bettina Springer führt das Kunstauktionshaus „Les Prochaines“ – und will Hemmungen abbauen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Art Truck in Berlin: Eine Galerie auf Rädern

Seit einigen Tagen fährt ein Kunst Truck durch die Stadt. Jeden Tag hält er an ungewöhnlichen Orten – um verrückte Werke zu zeigen und Barrieren abzubauen. Am Schluss wird alles im Bikini-Haus versteigert.

Der Gang durch die Installation in dem weißen Raum wirkt sich unmittelbar auf den Gleichgewichtssinn aus. Der Boden wankt. „Und ich dachte, das wäre, weil ich so müde bin“, sagt die Künstlerin Elisa Daubner und lacht. Dabei steht der Raum tatsächlich leicht schief und der Boden gibt an einigen Stellen nach – Teil des Plans war das allerdings nicht. Es handelt sich um die Eigenheiten einer Ausstellung, die statt in einer Galerie in einem LKW stattfindet. Der „Art Truck“ parkt ein wenig schräg am Koppenplatz in Mitte. Passanten sind eingeladen, die wenigen Stufen in den Laster zu nehmen und sich mitten in die Installation zu begeben, die an diesem Tag die 32-jährige Künstlerin Elisa Daubner aus Wedding erschaffen hat. Der Eintritt ist kostenlos.

Leicht konsumierbar ist die hier präsentierte Kunst dagegen nicht. Filigrane Materialien bringen zusätzlich zum wackeligen Untergrund Dynamik in den weißen Container: Fein geflochtenes Klebeband hängt von der Decke, metallenes Gestänge ragt in den Raum. Elisa Daubner darf sich für einen Tag austoben im „Art Truck“. Insgesamt 17 Berliner Künstler bespielen für jeweils einen Tag den Kunstlaster während seiner Tournee an belebten Orten der Stadt. Ende August ging es am Gleisdreieck los, dann über das Arena-Gelände in Alt-Treptow zum Koppenplatz. Die nächste Station ist die Luckenwalder Straße in Kreuzberg, bis der LKW schließlich am Charlottenburger Einkaufscenter Bikini Berlin haltmacht. Zum Abschluss gibt es dort am 27. September eine große Kunstauktion mit Werken der beteiligten Künstler mit Schätzwerten zwischen 200 und 10 000 Euro.

"Kunst ist für jeden da"

Die Veranstalter sind die Kuratorin Bettina Springer und die Journalistin Ulrike Demmer mit ihrem Auktionshaus „Les Prochaines“. Gemeinsam mit Radioeins haben sie den Art Truck ersonnen. Zum einen möchten sie damit den Künstlern die Möglichkeit geben, Werke zu zeigen, die sich nicht so leicht verkaufen – eben mehrdimensional mit Installationen im Raum zu arbeiten. Zum anderen wollen sie ein Publikum ansprechen, das ansonsten wenig mit Kunst in Berührung kommt. So ein Gang durch die Galerien könne anstrengend sein, sagt Ulrike Demmer. „Da wird man dann angeguckt und abgeschätzt, ob man auch wirklich was kaufen kann.“ Ihre Partnerin Bettina Springer sagt: „Wir wollen zeigen: Kunst ist für jeden da und nicht nur für Leute mit dickem Portemonnaie.“

Die Künstlerin selbst steht mit dem Wischmob mitten in ihrer Installation. Es sind gerade wieder einige Besucher da gewesen und haben Spuren auf dem weißen Boden hinterlassen. Daubner wischt gerne durch – immerhin freut sie sich über jeden, der sich in den Lastwagen wagt.

Die Besucher sind meist ziemlich begeistert von der Kunst, der sie ganz unverhofft in der Mittagspause, beim Spazierengehen oder am Feierabend begegnen. Das hat einmal schon zu einem fatalen Missverständnis geführt. Am ersten Tag hatte die Berliner Künstlerin Charlotte McGowan-Griffin etliche Lagen dunkles Seidenpapier an das hintere Ende des Lkw-Containers übereinander drapiert, so dass in der Mitte eine Öffnung entstand. Ulrike Demmer zeigt ein Bild davon auf ihrem Smartphone. „Und da ist dann einer reingestiegen!“, sagt sie, immer noch fassungslos. Das Werk war danach beschädigt. „Wenn die Berührungsängste erst einmal überwunden sind, gibt es kein Halten mehr“, sagt Bettina Springer trocken.

Ausstellungsort ändert den Charakter

Dagegen verhält sich die jetzige Besucherin vorbildlich. „Darf man da durchgehen?“, fragt sie Elisa Daubner. Immerhin ist sie selbst Künstlerin – und zwar eine aus dem Katalog von „Les Prochaines“. Die 29-jährige Yvonne Andreini wird am nächsten Standort Luckenwalder Straße den Art Truck bespielen. Die Künstlerin aus Mitte plant eine Performance, bei der sie live zeichnen wird. „Das ist ja hier viel intimer als beim letzten Mal“, sagt Andreini. Den Standort an der Arena Berlin in Alt-Treptow hatte sie sich auch angeschaut – da mussten Springer und Demmer sich direkt an die Puschkinallee stellen, weil das Arena-Gelände wegen des Berlin Festivals gesperrt war.

So ändert der Ausstellungsort nicht nur jeden Tag den gezeigten Künstler, sondern mit den verschiedenen Standorten auch den Charakter. Zu guter Letzt hoffen Springer und Demmer darauf, dass bei der Auktion im Bikini Berlin auch Interessenten zugreifen, die sonst vielleicht nie auf den Gedanken gekommen wären, dass sie einmal Kunstbesitzer sein könnten.

Die nächsten Stationen des Art Truck sind von Mittwoch bis Sonntag, 17. bis 21. September, Luckenwalder Str. 15 in Kreuzberg und von Donnerstag bis Sonnabend, 25. bis 27. September, an der Budapester Str. 40 in Charlottenburg. Die Ausstellungen sind jeweils von 15 bis 20 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. Die Auktion am 27. September findet ab 17 Uhr im Bikini Berlin statt. www.les-prochaines.de

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