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Berlin: Arzneimittelkosten: Mit Zuckerbrot und Peitsche

Sherlock Holmes hätte nicht genauer hingesehen: Wenn es um die steigenden Arzneimittelkosten geht, entwickelt die Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin (AOK) detektivische Fähigkeiten. "Sie können die Spur der Pharmavertreter bis in die Arztpraxen verfolgen", sagt AOK-Referent Peter Schwoerer und pocht auf einen Packen Unterlagen.

Sherlock Holmes hätte nicht genauer hingesehen: Wenn es um die steigenden Arzneimittelkosten geht, entwickelt die Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin (AOK) detektivische Fähigkeiten. "Sie können die Spur der Pharmavertreter bis in die Arztpraxen verfolgen", sagt AOK-Referent Peter Schwoerer und pocht auf einen Packen Unterlagen. Schwoerer ist Allgemeinmediziner, hat sich als Vizechef des Medizinischen Dienstes der baden-württembergischen Krankenkassen auf Pharmaberatung spezialisiert und eilte in der vergangenen Woche an die Spree, um der Berliner AOK bei ihrem jüngsten Vorstoß zu assistieren: Wie berichtet, will sie die Berliner Vertragsärzte mit 5 Millionen Mark ködern. Der Bonus wird an die KV ausgeschüttet, falls die Arzneimittelausgaben des Jahres 2000 in diesem Jahr nicht weiter steigen.

Aus Schwoerers Sicht ein "realistisches Ziel", wie er vor der Presse betonte. Auf dem Weg dorthin, verfolgt die Kasse nun offenbar eine Doppelstrategie. Mit Zuckerbrot und Peitsche - so könnte man sie beschreiben. Einerseits die Erfolgsprämie für Berlins Ärzte, andererseits Druck durch Praxisbudgets, Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Regresse. Die AOK hält es für legitim, überflüssige Mehrausgaben von jenen zurückzufordern, die sie mit dem Rezeptblock verursachen. "Letztlich profitieren davon die Patienten und Kassenmitglieder", heißt es. Laufen die Kosten davon, ist das ungesund für ihr Portemonnaie: Es drohen höhere Beiträge oder die Kassen übernehmen weniger Leistungen.

"Das muss nicht sein", sagt Peter Schwoerer, "weil die Einsparmöglichkeiten bei Arzneimitteln gewaltig sind." Rund 719 Millionen Mark gab die AOK im Jahre 2000 als größte Berliner Kasse für die Medikamente ihrer 700 000 Mitglieder aus, alleine von Januar bis April 2001 stiegen die Kosten um weitere 13,2 Prozent an. Der Experte aus Baden-Württemberg hat sich die Statistik einzelner Präparate genauer angeschaut und kam zu dem Schluss: Alleine bei den 14 umsatzstärksten Mitteln hätte die AOK gut 7,2 Millionen Mark sparen können, wären preiswertere Produkte mit gleicher Wirksamkeit eingesetzt worden.

Hinzu kommen zwei Alternativen zu den gängigen Präparate gegen Bluthochdruck. Ebenfalls "um nichts schlechter", wie Schwoerer versichert, aber berlinweit gerechnet 2,5 Millionen Mark billiger. Wer kostenbewusst verordne, sei also kein schlechterer Arzt. Er hat allerdings das Problem, gibt Schwoerer zu, dies seinen Patienten klarzumachen, zumal viele Kliniken nach den Erfahrungen der AOK teure Arzneimittelvarianten verordnen. Für sie ist das kein Problem: Sie erhalten die Medikamente zwecks Einführung von den Firmen häufig zu Sonderrabatten.

Wird ein Patient entlassen, verlangt er die gleiche Arznei auch vom Hausarzt. "Die Anspruchshaltung ist groß", sagt Schwoerer, doch manche Ärzte versuchten daraus Gewinn zu schlagen. "Sie werben mit ihrer eigenen Großzügigkeit". Hat ein Arzt sein Budget um mehr als ein Viertel überschritten, zeichnet sich aus Sicht der AOK ein solcher Trend recht deutlich ab. Man müsse dafür nicht alle Details kennen. Deshalb hält die Kasse das Prüfverfahren für fair.

So weit soll es aber aber gar nicht kommen. Deshalb will die Kasse neben ihrem Bonus-Modell auch die kostenlose Pharmaberatung für Ärzte weiter ausbauen.

CS

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