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In einigen Räumen im Flüchtlingsheim an der Carola-Neher-Straße in Hellersdorf brennt Licht. Bereits am Dienstagabend hatten Gegner und Befürworter des neuen Flüchtlingswohnheimes dort demonstriert.

© dpa

Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf: Anwohner zwischen Frust und Vorurteil

Die ersten Flüchtlinge sind im Asylbewerberheim in Hellersdorf eingezogen. Rund um die ehemalige Oberschule sorgen sich die Anwohner um ihre Heimat und ärgern sich über die Darstellung ihres Ortsteils als "braun". Doch die Politiker haben nicht viel getan, um die Stimmung zum Besseren zu verändern.

Die Leute von der Antifa haben alles im Blick an der Carola-Neher-Straße. Sie campieren gleich gegenüber dem neuen Asylbewerberheim, registrieren genau, wen die Fernsehleute interviewen – und wenn dann einer wie der junge Mann im blauen Sweatshirt auf „linke und rechte Populisten“ schimpft, die alle bloß „Stress“ wollten, dann halten zwei junge Antifa-Frauen hinter ihm ein Transparent in die Kamera. Von Gegnern des Heims, von Neonazis oder NPD-Anhängern, ist nichts mehr zu sehen am Mittwochvormittag, nachdem eine Handvoll Anhänger der rechten Gruppierung „Pro Deutschland“ vor dem Gebäude demonstriert hatte und auf 150 asylbewerber- und asylrechtfreundliche Gegendemonstranten gestoßen war.

Ärger über Darstellung als "braun"

Doch die von massiver Polizeipräsenz gefestigte Ruhe im Plattenbau-Viertel ist nicht das Gleiche wie Entspannung. Davon sind viele Anwohner der Carola-Neher- und der Maxie-Wander-Straße weit entfernt. Nicht wegen der dreißig oder vierzig Antifa-Leute mit ihrem kleinen Partyzelt, die außer ihren Gesinnungsdemonstrationen nicht viel machen. Auch nicht, weil das Heim, das mal eine Schule war und den Namen „Max-Reinhardt-Oberschule“ trug, plötzlich vor Flüchtlingen überquellen würde. Die Leute – wenigstens die, die überhaupt zur Sache etwas sagen – fühlen sich von den Politikern im Stich gelassen, sie machen sich Sorgen, aus denen man fremdenfeindliche Vorurteile heraushören kann, aber nicht muss, und sie ärgern sich darüber, dass ihr Stadtteil neuerdings als „braun“ und NPD-verseucht dargestellt wird.

Kritik an Politiker: sie beschimpfen, anstatt Sorgen anzuhören

Die frühere Schule, in deren Obergeschoss am Mittwoch noch die Wände geweißt werden, liegt in einer Gegend, in denen die Linke für 45 bis 50 Prozent gut ist. Eine Kleine-Leute-Gegend, besonders reich sieht hier keiner aus. Zu Fuß und mit dem Auto kommen Frauen und Männer, um ein paar Kleidungsstücke oder Spielsachen für die Kinder der Asylbewerber abzugeben. Nicht jeder, der in einem der Häuser gegenüber wohnt, will überhaupt etwas sagen. Aber die, die es tun, sind voller Groll – vor allem auf die Bezirkspolitiker, von denen einige die Leute im Kiez beschimpft hätten, statt sich deren Sorgen anzuhören.

Ihre vier Kinder seien gegenüber zur Schule gegangen, sagt eine mittelalte Frau, und dann: „Gegen das Asylbewerberheim habe ich nichts – aber die gehören hier nicht hin!“ Es müssten nicht 400 Menschen in einem Gebäude untergebracht werden, meint sie, sondern die Neuankömmlinge gehörten in Wohnungen – so dass sie sich integrieren und die Nachbarn sich kümmern können. „Wir haben nichts gegen Ausländer, wirklich nicht“, sagt sie noch. Aber sie wolle nicht als „braun“ dargestellt werden, nur weil sie ihre Bedenken deutlich nenne.

"Sie kommen aus dem Krieg. Man weiß nicht, ob sie sich normal integrieren"

Drei junge Männer schlendern heran, einer in einer Trainingsjacke erzählt, es sei morgens so viel Polizei vorbeigefahren – nun wolle er sehen, was hier los sei. Vladimir heiße er, komme aus Kasachstan und habe kein Problem mit dem Heim; er kenne vier Unterkünfte dieser Art von innen. „Wir hatten das damals nicht, dass Leute dagegen waren“, sagt er, macht allerdings mit seiner Sportlerfigur ohnehin nicht den Eindruck, als fürchte er sich leicht. Was er dann sagt, könnte aus Antifa-Sicht schon die Grenze des Korrekten streifen: Anders als er damals, sagt Vladimir, kämen die Leute jetzt und hier „aus dem Krieg. Bei denen ist alles viel schlimmer. Man weiß nicht, ob sie sich ganz normal integrieren.“

Zu den Sorgen, dass sich der Kiez mit und wegen der Flüchtlinge verändern könnte, kommt bei anderen Unverständnis darüber, dass ausgerechnet im armen Hellersdorf eine Schule aus- und umgebaut wird, die abgerissen werden sollte. Ein junger Mann spricht von der Renovierung des Grundschulklassenraums seiner Tochter. Eltern hätten sich selbst um die Farben kümmern und streichen müssen. Seine Begleiterin deutet auf die kleine Tochter und sagt, man könne sich doch vorstellen, wie in einem solchen Heim die Aggressionen der Leute gegeneinander immer stärker würden. Ihre kleine Tochter könne sie deshalb in Zukunft nicht mehr allein auf den Spielplatz lassen.

Auch das ist Hellersdorf. Die Anwohner Cindy Laqua, Omar Elaoad und ihre Tochter bringen Spielsachen zum Heim.
Auch das ist Hellersdorf. Die Anwohner Cindy Laqua, Omar Elaoad und ihre Tochter bringen Spielsachen zum Heim.

© Christian Mang

Die nächste junge Mutter mit Kinderwagen, die vorbeikommt, sieht es ähnlich. Auch sie wohnt um die Ecke von der neuen Unterkunft. Sie wisse nur, dass es Syrer sein sollten, die in dem Haus untergebracht werden. Und wenn erst mal 400 Menschen dort wohnten – „da ist immer einer bei ...“, sagt sie bedeutungsvoll und meint, irgendein Heimbewohner könne es dann mal auf die Kinder in der Umgebung abgesehen haben oder auf eine junge Frau, die ohne Begleitung vom Elternabend zurückkommt. „Bei meiner Mama in Lichtenberg“ gebe es auch ein Asylbewerberheim. Erst sei alles ruhig gewesen, „jetzt ist nur noch Krach“. Und „in der Kaufhalle“ werde bloß noch geklaut.

Frust und Vorurteil haben sich verbunden. Ein Aushang in den Hausfluren der Plattenbauten, ein Informationsabend des Bezirksamts – mehr war nicht, um die Leute zu gewinnen.

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