zum Hauptinhalt
Vom 1. Januar bis zum 30. Dezember 2014 wurden 12.188 Flüchtlinge in Berlin aufgenommen.

© dpa

Asylsuchende in Berlin: Eine Halle für 200 Flüchtlinge in Dahlem

Immer mehr Flüchtlinge leben in Berliner Notunterkünften, etwa in einer Sporthalle der FU. Ohne die vielen Helfer wäre das für sie noch schwerer.

Von Sandra Dassler

Der Anruf vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) kam fünf Tage vor Weihnachten: Aufgrund einer akuten Notsituation müsse man die Sporthalle der Freien Universität in Dahlem als Unterkunft für Flüchtlinge einrichten. „Auf so etwas sind wir zwar vorbereitet“, sagt der ehrenamtliche Vorstand der Johanniter-Unfallhilfe Berlin, Wolfgang Pellnitz, „aber es war dennoch nicht ganz einfach, in so kurzer Zeit alles zu managen.“ Um neun Uhr habe die erste Beratung in der Sporthalle stattgefunden, zwölf Stunden später sollten die Flüchtlinge kommen.

Tatsächlich trafen die ersten aber schon um 17 Uhr ein. „Es war eine junge Frau mit drei Kindern“, erinnert sich Wolfgang Pellnitz: „Sie kam aus Transnistrien in Moldawien. Ihr Sohn war neun, die beiden Töchter fünf und zwei Jahre alt.“ Die Frau habe auf die Kinder gezeigt und auf Deutsch „Durst“ gesagt, erzählt Pellnitz. Wie fast alle, die in den vergangenen Tagen in der Sporthalle unterkamen, hatte sie zuvor nur ein Schnellregistrierungsverfahren durchlaufen.

Manche haben ihren gesamten Weihnachtsurlaub geopfert

„Das heißt, die Flüchtlinge müssen ihre Namen angeben und bekommen eine Nummer“, sagt Pellnitz. „Ärztliche Untersuchungen, Asylberatung und so weiter sind meistens noch nicht erfolgt. Es geht erst einmal um grundsätzliche Dinge: ein Dach über dem Kopf, Wärme, ein Bett, etwas zu essen und die Möglichkeit, sanitäre Anlagen zu nutzen.“

Die Johanniter haben Erfahrungen mit solchen Situationen – unter anderem bei der Betreuung von Hochwasser-Opfern, aber sie waren sehr froh über die Unterstützung durch Ehrenamtliche. „Viele kamen aus Berlin, aber auch aus Brandenburg oder Sachsen“, sagt Pellnitz. „Sie haben quasi ihren gesamten Weihnachts- und Silvesterurlaub geopfert.“

Am morgigen Montag müssen die meisten wieder arbeiten, dann werden verstärkt hauptamtliche Angestellte der Johanniter in der FU-Sporthalle eingesetzt. Denn derzeit spricht nichts dafür, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland und damit auch nach Berlin kommen, sagt Regina Kneiding von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales.

Die meisten kamen aus Syrien und vom Balkan

Im vergangenen Jahr war bekanntlich die Zahl der erwarteten Neuzugänge mehrfach nach oben korrigiert worden. Schließlich betrug sie 12.000, doch bereits am 30. Dezember waren 12.188 Flüchtlinge in Berlin aufgenommen worden. Die meisten von ihnen kamen aus Syrien sowie aus Staaten auf dem westlichen Balkan. Das trifft auch auf die Bewohner in der FU-Sporthalle zu.

„Offenbar haben Schleuserbanden wegen der Einstufung von Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als ,sichere Herkunftsstaaten’ dort eine Art Torschlusspanik verbreitet“, sagt Wolfgang Pellnitz: „Da kommen dann auch viele junge Männer, denen völlig klar ist, dass sie nicht als politisch verfolgt anerkannt werden.“ Manche sagten ganz offen, dass sie dennoch für einige Wochen hier besser leben könnten als in ihrer Heimat – selbst in den Notunterkünften, sagt Pellnitz.

Sichtschutzwände kann es nicht geben

Und das will etwas heißen. Zwar werden die Flüchtlinge gut versorgt, aber so etwas wie eine Privatsphäre ist in der riesigen Halle nicht einmal ansatzweise möglich. Aus Brandschutzgründen können nicht einmal Sichtschutzwände zwischen den 200 Betten aufgestellt werden, um so etwas wie eine Nachtruhe einzuhalten, wird um 22 Uhr das Licht gedimmt.

„Angesichts der Umstände läuft das alles hier bisher ganz anständig ab“, sagt Pellnitz. Und ärgert sich dennoch über den einen oder anderen, der sich als Vertreter eines Flüchtlingsrats ausgibt und sich über alle möglichen vorgeblichen, aber auch tatsächlichen Mängel aufregt. „Das ist hier wirklich eine Notunterkunft“, sagt der Johanniter-Vorstand: „Niemand kann auf Dauer bleiben. Und wenn wir nicht diese unglaubliche Unterstützung von so vielen Menschen hätten, wäre alles noch viel schwerer.“

Eine Spielecke für die Kinder

Aber die Berliner helfen: Nicht nur in Dahlem, sondern überall in der Stadt sammeln und sichten sie Spenden, organisieren Kindernachmittage, nehmen Flüchtlinge mit in ihre Familien, bieten Deutschunterricht an. Bei der Bürgerinitiative „Allende 2 hilft“, die sich um die Menschen im ersten Containerdorf für Flüchtlinge in Köpenick kümmert, sind inzwischen so viele Spenden eingegangen, dass damit auch Obdachlose versorgt werden können. Und ein Teil noch original verpackter Spielsachen geht nächste Woche an die Müggelschlößchen-Grundschule und den Kindergarten.

In der FU-Sporthalle haben die Johanniter gleich hinter der Eingangstür eine Spielecke für die Flüchtlingskinder eingerichtet. „Die kommen großartig miteinander aus“, sagt Wolfgang Pellnitz: „Egal aus welchem Land sie sind oder welche Religion sie haben.“

Zur Startseite