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Berlin: Attacke mit dem Bügeleisen

Zwölf junge Männer und Frauen aus der rechten Szene machten Jagd auf vermeintliche Kinderschänder. Morgen beginnt der Prozess

Mit dem theoretischen Überbau hatte es die rechte Schlägertruppe aus Köpenick nicht so, sie soll auch keine engen Kontakte zu aktiven Neonazis gehabt haben. Die neun Männer und drei Frauen, alle zwischen 16 und 30 Jahre alt, machten stattdessen Jagd auf „Kinderschänder“ – wobei es für ihre Folter- und Hassorgien ausreichte, wenn ein Opfer ihrer Meinung nach wie ein Kinderschänder aussah.

Am morgigen Dienstag beginnt vor dem Landgericht der Prozess gegen die zwölf Angeklagten, fast alle sitzen seit der Festnahme Mitte Juni in Untersuchungshaft. „Kinderschändern sollte ein Denkzettel verpasst werden“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Als Erstes hatte es am 1. Mai dieses Jahres den 40-jährigen Heinz Georg W. erwischt. Eine 17-Jährige aus der Clique wurde vorgeschickt, sie sollte mit dem 40-Jährigen am Bahnhof Grünau anbandeln, ihm Sex anbieten und dabei behaupten, 14 Jahre alt zu sein. W. willigte ein. In der Wohnung des Mannes angelangt, öffnete die Jugendliche heimlich die Tür und ließ ihre Kumpanen herein. Vier Männer, 18 bis 26 Jahre alt, darunter der Wortführer der Clique, Sascha P., schlugen auf das Opfer mit einem Schlagring ein, bedrohten es mit einem Messer und begannen, die Wohnung auszurauben. Als Heinz Georg W. die Geheimzahl seiner EC-Karte nicht preisgeben wollte, erhitzten sie ein Bügeleisen und drückten es ihm mehrmals auf Brust und Oberschenkel. Als der 40-Jährige vor Schmerzen besinnungslos wurde, stahlen die Täter Bargeld, einen Computer und eine EC-Karte. W. lag danach zwei Tage bewusstlos in seiner Wohnung und musste anschließend mit Verbrennungen dritten Grades drei Wochen in einem Krankenhaus behandelt werden.

Nach Angaben der Polizei war das Opfer völlig arglos – ebenso wie zwei andere Männer, die in den folgenden Wochen in ihren Wohnungen zusammengeschlagen und ausgeraubt wurden. Die Begründung der Schläger: Jan E. (57) und Marco L. (30) sollen Frauen aus der Gruppe „belästigt“ haben. Die Taten geschahen in unterschiedlicher Gruppenstärke, aber immer unter Führung von Sascha P.

Die Anklage wirft den Angeklagten zudem vor, zwei Jugendliche, die durch ihre Anti-Nazi-Aufnäher an ihren Jacken als „Linke“ kenntlich waren, mit Schlagstock und Schlagring angegriffen und verletzt zu haben. Einem Opfer entwendeten sie die Jacke als Trophäe. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten die beiden 16 und 18 Jahre alten Punks vor einem Imbiss an der Rudower Chaussee nur zufällig den Weg der Gruppe gekreuzt – die sich gerade aufgemacht hatte, um den 30-jährigen Jan E. in dessen Wohnung zu überfallen, weshalb sie auch Schlagstock und -ring dabei hatten.

In der Regel lungerte die Zwölfer-Bande an den S-Bahnhöfen Grünau und Adlershof herum. Das ist zwar auch das Kerngebiet der in diesem Jahr von Innensenator Körting verbotenen Neonazi-Kameradschaft „Baso“ (Berliner Alternative Südost), die jetzt angeklagten Schläger sollen aber nicht zu dieser Kameradschaft gehört haben. Die Grünauer Schläger um Sascha P. soll das „Rechts-istgeil“-Gefühl geeint haben und die in der rechten Szene beliebte Jagd auf angebliche Pädophile. Rechtsextremisten betreiben seit Jahren im Internet die Seite „Nationale gegen Kinderschänder“.

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