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Der kommissarische Landesvorsitzende der AfD in Berlin Nicolaus Fest.

© Kay Nietfeld/dpa

Attacken auf AfD-Anhänger: Bekennerschreiben liefern Hinweise auf Täter

Die Serie von Übergriffen auf AfD-Anhänger geht weiter. In Bekennerschreiben wird die Partei als geistiger Brandbeschleuniger für rassistisch motivierte Täter bezeichnet.

Beim jüngsten Fall, dem Brandanschlag auf das Auto des Pankower AfD-Anhängers Andreas Geithe, dauerte es keine sechs Stunden, ehe sich die mutmaßlichen Täter zu der Attacke bekannten. Auf der Internetseite indymedia.org, die den Sicherheitsbehörden wegen ihrer Nutzung von Linksextremen bestens bekannt ist, veröffentlichten anonyme Autoren einen Beitrag unter dem Titel „Antifaschistischer Anschlag auf die AfD“. Darin erklären sie, das Auto von Geithe „abgefackelt“ zu haben, und geben an, so ein „antifaschistisches Zeichen“ senden zu wollen. Zu Beginn des Schreibens erwähnen sie das am 19. Februar verübte, rechtsextrem motivierte Attentat in Hanau, bei dem neun Menschen getötet wurden. Es sei Ergebnis eines allgemeinen Rechtsruckes.

Mit Bezug auf Geithes Rolle als Vermieter der AfD-Pankow erklären sie: „Die geistigen Brandstifter*innen des rechten Milieus sind immer noch aktiv und nutzen den Moment, um noch mehr Hass zu schüren.“ Geithe war zuletzt auch für die AfD wegen seiner Verbindungen zu der 1992 verbotenen Neonazi-Partei „Nationalistische Front“ zum Problem geworden und wurde von der Partei mit dem Entzug des Förderstatus zumindest vordergründig sanktioniert.

Ein Blick in die vergangenen Wochen zeigt: Die Berliner AfD und von ihr oder ihren Mitgliedern angemietete Räumlichkeiten werden zuletzt vermehrt Ziel von Attacken. 

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Der Fall Geithe ist nur der jüngste Teil einer Serie von Anschlägen. Begonnen hatte diese, nachzulesen ebenfalls in einer auf indymedia.org veröffentlichten Chronik, am 14. Januar. Damals attackierten Vermummte das an der Leipziger Straße gelegene Restaurant Löwenbräu, zerstörten mehrere Fensterscheiben. Das Restaurant hatte in der Vergangenheit mehrfach Räume an die AfD vermietet und beherbergte am Abend des Anschlags eine rechtsextreme Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Dienstagsgespräche“. Auch ein AfD-Mitglied nahm teil.

Wie dem Löwenbräu erging es auch anderen Lokalen. Das in Reinickendorf gelegene Restaurant „Maestral“, das Steakhouse „Torero“ in Rudow oder die Kneipe „Heidelbeere“ am Heidelberger Platz: Sie alle wurden wegen der Öffnung ihrer Räume für Mitglieder der AfD teilweise mehrfach attackiert, wie aus anschließend veröffentlichten Erklärungen hervorging. Hinzu kommt ein Anschlag auf die Landesgeschäftsstelle der Berliner AfD in der Kurfürstenstraße sowie die Bibliothek des Konservatismus, Gastgeber unter anderem für Veranstaltungen der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“.

Stets Bezug zu Hanau suggeriert

In den Bekennerschreiben für die Taten wurde stets ein Bezug zu Hanau suggeriert, die AfD darin als geistiger Brandbeschleuniger für rassistisch motivierte Täter wie Tobias Rathjen bezeichnet. Neben den Vermietern geriet auch das Spitzenpersonal der Berliner AfD ins Visier der Täter. So wurden die jeweils vor der eigenen Haustür abgestellten Autos des kommissarischen AfD-Landesvorsitzenden Nicolaus Fest sowie des Schatzmeisters der Partei, Frank-Christian Hansel, in Brand gesetzt. 

Bei Gottfried Curio, Abgeordneter des Deutschen Bundestages und zuletzt als Kandidat für den Landesvorsitz gehandelt, wurden Scheiben seines Wohnhauses eingeschmissen. Ebenfalls betroffen: Marianne Kleinert, Mitglied der AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Lichtenberg. Wenige Stunden nach der Tat wurde ein Bekennerschreiben mit Bezug zum Attentat von Hanau veröffentlicht. Der Titel: „Kleinert hat mit geschossen“.

Berliner AfD weiß die Fälle für sich zu nutzen

Während der für politisch motivierte Kriminalität zuständige Polizeiliche Staatsschutz Anfragen zum Stand der Ermittlungen ebenso abblockt wie Angaben zu Personalstärke oder Ermittlungsbefugnissen des Dezernats, weiß die Berliner AfD die Fälle für sich zu nutzen. Von „linkem Terror“ sprach Fraktionschef Georg Pazderski als Reaktion auf den Anschlag gegen seinen Parlamentarischen Geschäftsführer Hansel. Er fügte hinzu: „Trotz Hetze und Gewalt lässt sich die AfD nicht einschüchtern. Wir widerstehen dem Terror und gehen aus jedem feigen Angriff gestärkt hervor!“

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Ganz im Sinne des von seinem Amtsvorgänger Pazderski ausgerufenen „Demokratienotstandes“ kommentierte Nicolaus Fest den Anschlag auf seinen eigenen Wagen mit den Worten: „Weder die Alternative für Deutschland noch ich werden vor der linksradikalen Gewalt zurückweichen. Die anderen Parteien sind aufgefordert, ihre unsachlichen Hetzkampagnen gegen die AfD zu beenden. Diese muntern linksradikale Gewalttäter zu solchen Taten auf.“

Nicht so genau genommen mit der Wahrheit

Dass es die AfD im Zuge dessen mit der Wahrheit selbst nicht allzu genau nimmt, zeigt ein Blick in die Kriminalstatistik der Berliner Polizei. Anders als von Fest behauptet, stieg die Zahl der Fälle im „Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität-links“ (PMK-links) von 1234 (2018) auf 1389 Fälle im Jahr 2019, ein Plus von 12,6 Prozent. Fest wiederum sprach von einer „erschreckenden Zunahme“ der politisch motivierten Straftaten aus dem linken Spektrum und nannte den Wert von 54 Prozent.

Tatsächlich kommt dieser in der Statistik zur PMK-links vor, allerdings im Bereich der Sachbeschädigungen. Diese machten mit 664 Fällen im Jahr 2019 beinahe die Hälfte aller Delikte in diesem Bereich aus. Mit jedem einzelnen steigt der Druck auf die Beamten des Polizeilichen Staatsschutzes. Die Aufklärungsquote linksextrem motivierter Straftaten lag im Vorjahr bei lediglich 22,9 Prozent – knapp 15 Prozent niedriger als im gesamten Feld politisch motivierter Kriminalität.

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