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Berlin: Aubis und kein Ende

Der Prozess um die Schlüsselfiguren des Bankenskandals wird immer wieder verschoben. Wie Rechtsexperten auf die neuerliche Verzögerung reagieren

Ob Präsident oder Senatorin, Juristen oder Politiker – die verantwortlichen Richter mag niemand öffentlich schelten. Auch, wenn viele empört sind, dass der Aubis-Prozess erneut verschoben wurde. „Die Terminierung einer Sache setzt eine Kammer alleine“, sagt Peter-Joachim von Drenkmann, Präsident des Landgerichts. Die richterliche Unabhängigkeit verbiete es, dass er sich auch nur beratend in die Arbeit der Kammer einmische.

Also heißt es weiter: warten. Darauf, dass der Prozess gegen Christian Neuling und Klaus Wienhold, zwei Schlüsselfiguren im Bankenskandal, eröffnet wird. Vor knapp zwei Jahren ist gegen die Chefs der Immobilienfirma Anklage erhoben worden. Nachdem die 19. Landgerichtskammer den Prozess im Frühjahr zum ersten Mal verschoben hatte, kündigte sie an, sich jetzt zunächst „älteren, vorrangigen Verfahren“ zu widmen.

Hinter verschlossenen Türen mag Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) über die neuerliche Verzögerung toben, offiziell wiederholt sie fast gebetsmühlenartig: „Wie die konkrete Arbeit im Landgericht verteilt wird, bestimmt alleine das Präsidium.“ Sie habe zwar seit dem Einstellungsstopp über 30 Richter auf Probe eingestellt, aber keinen Einfluss darauf, wie das Personal dann eingesetzt wird. Der Justiz bringen die ersten Erfolge der Ermittlungsgruppe Bankgesellschaft das nächste Problem: Die Wirtschaftskammern gelten als chronisch überlastet, so dass die Anklagen zum Bankenskandal hier auf unbestimmte Zeit liegen bleiben. Für den grünen Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland kam bereits der erste Aufschub nicht überraschend. Der Engpass sei seit „Jahr und Tag bekannt“, sagt Wieland. „Da hätte man längst organisatorisch Abhilfe schaffen müssen.“

„Frustrierend“ nennt Vera Junker von der Vereinigung der Berliner Staatsanwälte die Situation. Denn wenn sich ein Verfahren ewig in die Länge ziehe, falle das Strafmaß deutlich geringer aus. In der Wirtschaftsabteilung hat solche Fälle jeder Ankläger erlebt: Wie beispielsweise den Transferrubel-Betrug von 1990, wo es um einen Schaden von 20 Millionen Mark ging. Fünf, sechs Jahre Gefängnis hätten dem Angeklagten in einem zügigen Verfahren geblüht, so aber ging er erst im Jahr 2002 mit zwei Jahren Bewährung nach Hause. Was Aubis betrifft, sagt Junker: „Dem ganzen Komplex müsste man den Vorrang geben.“

Frustriert haben auch die Rechtsexperten im Abgeordnetenhaus reagiert. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Komplex nie wirklich ausermittelt wird“, sagt Fraktionschef Volker Ratzmann (Grüne). Er fordert eine „organisatorische und finanzielle Nachbesserung“. Die CDU will jetzt ganz genau wissen, weshalb es zu den Verzögerungen kommt. „Wir brauchen eine ehrliche Analyse der Arbeitsbelastung“, sagt der rechtspolitische Sprecher Michael Braun. Klaus Lederer (PDS) wünscht sich, dass das Gericht bei der Terminierung „auch das große öffentliche Interesse berücksichtigt“. Andere munkeln, dass der Aubis-Prozess vielleicht verschoben wurde, gerade weil er Aufsehen erregt – um mehr Personal zu erhalten. Offiziell aber klingt Schelte am Landgericht auch bei PDS, FDP und SPD nur zwischen den Zeilen durch. „Es müssen die organisatorischen Voraussetzungen für ein zügiges Verfahren geschaffen werden.“ So formuliert es Frank Zimmermann, der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Katja Füchsel

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