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Berlin: Auch in alten Platten ist Musike drin

Ein Architekt hat aus Marzahner Hochhaus-Betonteilen eine Laube gebaut. Sie gefällt nicht jedem

WBS 70/50500, die Platte aus Marzahn, ist tief gesunken. Einst wichtiger Bestandteil im zehnten Stock eines Hochhauses, bildet sie jetzt mit acht anderen Platten der „Wohnungsbauserie 70“ einen Bungalow. 36 Quadratmeter, drei große Fenster plus Giebel, und das im Hinterhof eines Mietshauses in Mitte.

„Das ist Berlins erster Wiederverwendungsbau“, erklärt Besitzer Carsten Wiewiorra stolz. Der 38-Jährige hat dem Bau einen Platz in Sichtweite seines Architektenbüros verschafft. Zwei Tage hat der Aufbau gedauert. Ein Kran hievte die jeweils 5,4 Tonnen schweren Platten auf den Boden. Dort wurden sie teils zersägt und teils im Ganzen zu dem Häuschen zusammengefügt. Nun kommt der Innenausbau. „Wir wissen noch nicht genau, was wir damit anfangen, vielleicht wird das unser Besprechungsraum“, so Wiewiorras Geschäftspartnerin Anna Krüger. Studenten und Neugierige, die das Haus besichtigen, haben jedenfalls einige Ideen. „Das ist krass variabel“, sagt der Architekturstudent Bernhard Kurz, der mit ein paar Freunden den Bau besichtigt. Schließlich sei das Ganze ein Stecksystem. Würde man da noch was dran bauen, ergäbe das etwa den Raum für eine Wohngemeinschaft. „Natürlich nicht hier im Hinterhof, sondern mit vielen gleichen Bauten als Siedlung“, sagt der 25-Jährige. „Wir hatten auch schon Anfragen, solche Häuser im Schrebergarten zu bauen“, erzählt Wiewiorra.

Der Giebel sowie zwei riesige Fensteröffnungen sollen mit Fenstern aus dem Palast der Republik bestückt werden. Auch beim Innenausbau wollen die Architekten den Recyclinggedanken weiter verfolgen. Außerdem werden innovative Baustoffe verwendet, denn das Haus stammt ursprünglich aus dem Forschungslabor des Instituts für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken, einem mit der TU verbundenen Institut.

Weit hatten es die Platten bis in den Garten in der Wolliner Straße deshalb nicht; vorher stand das Konstrukt in der Peter-Behrens-Halle auf dem AEG-Gelände am Humboldthain, wo Studenten und Dozenten Statik und Beschaffenheit der Platten für die Wiederverwendung testeten. „Dort wurde zum Beispiel erforscht, wie das Raumklima in Plattenbauten verbessert werden kann“, sagt Wiewiorra. Das käme nicht nur recycelten Häusern aus ehemaligen Platten, wie sie beispielsweise im Brandenburger Ort Schildow stehen, zugute, sondern auch den bestehenden Plattenbauten in Marzahn und Hohenschönhausen.

Sorgen macht den Baustoffrecyclern zurzeit der Nachschub. „Wir erfahren viel zu spät, wo wieder eine Platte abgerissen wird“, sagt TU-Projektleiter Claus Asam. Oftmals seien dann schon Abrissunternehmen beauftragt, die die WBS 70 einfach zerkleinern. „Bei denen türmen sich die Schotterhaufen, aber keiner braucht den“, so der Bauingenieur. Bei einer Wiederverwendung am Bau würden auch die Wohnungsbaugesellschaften sparen. 50 000 Euro billiger werde ein Rückbau, wenn die Platten für Bauvorhaben wiederverwendet würden. Noch liegt die Serienproduktion von Recyclinghäusern jedoch in weiter Ferne. „Wir leben eben in einer Wegwerfgesellschaft, auch im Bauwesen“, seufzt Asam.

Manchmal hat die Entscheidung für einen Neubau aber wohl auch ästhetische Gründe: Der Nachbar des Architektenbüros will eine Pergola am Zaun errichten, um das Haus nicht ständig sehen zu müssen. „Der findet das hässlich“, sagt Wiewiorra.

Informationen im Internet: www.kwarchitekten.de

Christine Berger

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