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Berlin: Auch in diesem Jahr liefern sich die Aussteller eine millionenschwere Materialschlacht

Ein Athlet stemmt sich am Bühnenrand in den Handstand. Ein zweiter testet ein Halteseil, das unter dem riesigen roten Zeltdach über dem Messestand befestigt ist.

Ein Athlet stemmt sich am Bühnenrand in den Handstand. Ein zweiter testet ein Halteseil, das unter dem riesigen roten Zeltdach über dem Messestand befestigt ist. Ein Mädchen übt eine Tanzeinlage. Mitglieder einer polnischen Artistentruppe proben für ihren Auftritt für die Kamerafirma Canon. Ein paar Meter weiter setzen Handwerker Steckdosen in Rigipswände und befestigen Scheinwerfer an einem Gerüst. Helfer schieben mit Hubwagen dicke Rollen Teppichboden durch Halle 20, überall hört man Gehämmer, Akkuschrauber und Bohrmaschinen. Die Aufbauarbeiten für die Internationale Funkausstellung auf dem Messegelände sind voll im Gange. Hunderte von Zimmerleuten, Dekorateuren, Elektrikern und Tagelöhnern arbeiten unter Hochdruck. Bis zum Sonnabend muss alles fertig sein.

Die Gunst der Messebesucher ist den rund 850 Ausstellern Millionen Mark wert. Deshalb wird die polnische Zirkustruppe für das Publikum Saltos springen. Andere Firmen versuchen, mit extravaganten Messeständen Aufmerksamkeit zu erregen. Im Entree von Halle 22 sieht es aus wie in einem U-Boot-Bunker: Verwaschener Beton, Bullaugen-Fenster, gedämpftes Licht, Stahlstreben - alles aus Sperrholz und Plastik. Die Ausstellunghalle ist im Industriestil ausgebaut: Blaue Leuchtstoffröhren baumeln von der Decke, Boxentürme, Videoleinwände, Bühne und Pavillions sind aus Beton- und Stahlimitat. Auch hier wird emsig gewerkelt: Ein Techniker justiert High-Tech-Leuchten. Elektriker auf einer Hebebühne sind unter der Decke zu Gange. Die Philips-Halle erinnert an einen Raumschiffhangar eines Science Fiction oder an Inventur im Heimwerkermarkt. In Gängen, durch die sich in wenigen Tagen hunderttausende Besucher schieben werden, wuseln Handwerker mit Hallenausweis, Handy und Schraubenschlüssel am Gürtel. Ein Innenarchitekt studiert einen riesige Bauplan. Noch sind die Böden mit Plastikfolie zugedeckt. Sie sind zugeparkt mit mobilen Werkbänken, Cateringwagen und Warenpaletten. Firmenvertreter bestücken die Stände mit Dutzenden von Flachbildschirmen, Computern und DVD-Playern - Geräte im Wert von Millionen. Nicht umsonst ist jeder Ausgang mit Securityleuten besetzt. Überall flimmern Fernseher. Arbeiter lassen sich vom Radio antreiben.

In anderen Hallen sind auch einfache Messestände zu sehen: Konstruktionen aus Stellwänden und Vitrinen. Große Marketing-Kampagnen werden jedoch mit schweren Geschützen ausgetragen: mit mehrgeschossigen Erlebniswelten und schillernden Fantasieburgen. Einen "Eye-Catcher" nennt der holländische Messebauer Heinz Zimmermann den von ihm für den deutschen Fernsehhersteller Schneider erbauten Stand. Die 300 Quadratmeter Messefläche sollen größer aussehen, als sie sind. Sie gleichen einem Bühnenbild für "Alice im Wunderland" - alles ist in Gelb, Blau und Rot gehalten. Überdimensionale Regale ragen an den Wänden in die Höhe, es gibt einen "Laser-Dom", in dem eine neue Fernsehtechnik präsentiert wird, einen Trakt für das gemeine Publikum und einen für die Händler mit Bar, Caféteria und Besprechungsräumen - aufgebaut für neun Tage. Über eine Million Mark dürfte der Stand gekostet haben, Zimmermann will sich nicht festlegen. "Materialschlacht" sei für die Arbeit der treffende Begriff, sagt er. Was nach der Messe noch verwendet werden könne, käme ins Lager. Stühle und Tische seien gemietet. Große Teile des schwer entflammbaren Sperrholzes - schätzungsweise 3000 Quadratmeter wurden verbaut - und der dann ramponierte Teppich landeten hingegen auf dem Müll.

Tobias Arbinger

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