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Berlin: Auf Amtswegen

Wie komme ich schnell zum neuen Reisepass? Ein Selbstversuch zwischen Call-Center und Meldestelle

Er läuft und läuft und ist fast abgelaufen: mein Reisepass. Nun kostet ein neues Dokument erfahrungsgemäß nicht nur Geld, sondern auch Nerven. Aber Mittes Bürgermeister Joachim Zeller (CDU) verhieß gleich auf zweierlei Art, dass es so schlimm nicht werden würde. Ermutigung Nummer eins kam per Fax und informierte über ein soeben eröffnetes Call-Center im Rathaus Mitte, das die Amtsmitarbeiter von telefonischen Anfragen während der Öffnungszeiten entlasten soll. Ermutigung Nummer zwei stand kürzlich in der Zeitung: „Die Bürgerämter sind ein Erfolg“, resümierte Zeller – der zugleich Stadtrat für Personal und Bürgerdienste ist – im Interview mit dem Tagesspiegel.

Es dauert zwei Minuten, bis unter der Call-Center-Nummer 2009 311 11 jemand ans Telefon geht, aber dann geht es ganz schnell: „Wenn Sie in Berlin gemeldet sind, können Sie den Reisepass in jeder Meldestelle beantragen. Bringen Sie 26 Euro, ein Passbild und den alten Pass mit.“

Versuch Nummer zwei (Nummer eins musste bereits „zwischen den Jahren“ auf einem überfüllten Flur im Rathaus Köpenick abgebrochen werden) – der zweite Versuch also beginnt an einem Dienstagnachmittag mit vorzeitiger Flucht vom Arbeitsplatz und endet um 17 Uhr 31 am Anmeldetresen im Rathaus Mitte. Bis 18 Uhr ist geöffnet, „aber Wartenummern geben wir längst nicht mehr aus“, sagt die Bürgerbeamtin. „Das ist nach 17 Uhr eigentlich immer so. Manchmal auch schon ab 16 Uhr 30.“

Das neue Call-Center entlastet die Mitarbeiter offenbar nicht genug – obwohl Call-Center-Chef Bernd Rogge kurz nach dem Start von „täglich über 400 Bürgerkontakten“ berichtet hatte. Oft ging es dabei um nicht rechtzeitig eingetroffene Lohnsteuerkarten; inzwischen soll es etwas ruhiger geworden sein. Die zehn Mitarbeiter an den Telefonen hätten aber pausenlos zu tun. Die meisten Fragen würden sofort oder binnen einer Viertelstunde per Rückruf beantwortet. „Die Leute sind ganz erstaunt, dass eine Behörde so schnell reagieren kann.“

Kontrollgang durchs Rathaus Mitte, Punkt 18 Uhr: Drei Menschen sitzen noch im Wartezimmer. Immerhin macht hier niemand vorfristig Feierabend.

Dritter Versuch, eine Woche später, morgens. Die Tür ächzt, aber sie gibt nicht nach. Daneben ein Zettel: „Bitte beachten Sie unsere neuen Öffnungszeiten!“ Dienstags erst ab elf. Ein Anruf im Call-Center erbringt den Tipp, man solle sein Glück in einem jwd gelegenen Amt versuchen, denn „in den Außenbezirken ist meistens weniger los“. Also gut.

Vierter Versuch, Freitag früh, Meldestelle Berlin-Grünau. Abgesehen vom Automaten für die Wartenummern sieht das Inventar aus wie im Film „Good Bye, Lenin!“ Kein einziger Mitbürger im Wartezimmer. Noch während ich die gezogene Nummer aus dem Automaten fingere, ruft mich ein brüchig klingendes Ding-danng-donnng zur Sachbearbeiterin an Schreibtisch 3. Sie wirkt ein wenig lustlos; vielleicht hat sie ja der Überhang an diesen wackligen Schreibtisch verschlagen, wer weiß. Ich liefere Bild und Geld und Unterschrift ab. Alles geht ganz schnell. Und in sechs Wochen kann ich meinen neuen Reisepass abholen.

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