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Berlin: Auf dem Holzweg

Beim Projekt „3XGrün“ der Baugemeinschaft Görschstraße in Pankow dominiert der natürliche Rohstoff.

Kleine Kinder flitzen in sommerlicher Wärme über den Rasen, Klamotten brauchen sie nicht. Ihre Mamas und Papas sitzen auf der hölzernen Terrasse gleich daneben, manche haben Saft und Weißweinschorle vor sich stehen und lassen es sich gut gehen. Überall grünt es: Apfelbäume, Dahlien, Blattwerk, das sich Mauern hinaufrankt. Ein bukolischer Anblick – zu finden mitten in Pankow, im Garten des Hauses Görschstraße 48. Hier leben 13 Familien, rund 50 Menschen. Ihre Kinder wachsen in denkbar ökologischer Umgebung auf: Der Bau besteht größtenteils aus Holz, genauer gesagt aus gemischtem Nadelholz. Drei Architekten – Philipp Koch, Daniel Rozynski und Christoph Roedig – haben das Wohnhaus mit ihren Büropartnern entworfen und es „3XGrün“ genannt. Denn drei grüne Ebenen prägen das Projekt: Der Garten, die Balkone und die große gemeinsame Dachterrasse als krönender Abschluss.

Warum Holz? „Holz hat sehr viele Vorteile“, erklärt Philipp Koch, der auch selbst hier wohnt. Das Raumklima sei hervorragend, Feuchtigkeit wird sehr gut aufgenommen, aber auch wieder abgegeben. Holz riecht gut und ist überhaupt emotional ein sehr angenehmer Baustoff. Außerdem ist es ein natürlich wachsender Rohstoff, und das heißt: Bei seiner Produktion entsteht, anders als bei Beton, kein CO2. Die Nachteile – Schallschutz, Schimmel, Tierbefall und am wichtigsten: Brandschutz – könne man alle sehr gut unter Kontrolle kriegen, wenn man präzise plane. Deshalb sind essenzielle Fluchtwege wie die Treppenhäuser aus Beton.

Auffälligstes Merkmal der Wohnungen sind, natürlich, die hölzernen Fußböden und Decken. Das Holz ist aber auch an vielen Stellen versteckt, an denen man es nicht sofort sieht. Dann die sehr komfortablen Balkone an der Rückseite, zum Garten hin: Zwei Meter sind sie tief, hier können mehrere Personen bequem einen ganzen Abend verbringen, zumal sich die Küche gleich anschließt.

Bis auf wenige festgesetzte Elemente, etwa die Lage der Toiletten, konnten die Bewohner den Grundriss ihrer Wohnung sehr individuell festlegen. Einen zentralen Bauträger gibt es nicht, die Familien sind jeweils Bauherren. Solche Baugruppen werden in Berlin immer populärer, gerade auch in Pankow. Die meisten, die in die Görschstraße 48 eingezogen sind, haben früher in Prenzlauer Berg gewohnt. Jetzt sind sie älter, möchten raus aus der Enge der Gründerzeit, wollen Weite, Licht, Raum. „Wenn wir in der Umgebung einkaufen, dann fragt man uns: Und, aus welcher Baugruppe kommst du?“, erzählt Philipp Koch schmunzelnd. 2250 Euro habe der Quadratmeter gekostet. Inzwischen können sie schon 1000 Euro mehr verlangen.

Wie wohnt es sich in solch einem ambitionierten Projekt? Bewohner Markus Kamrad, Unternehmensberater, erzählt, dass er das Haus schon mochte, als es noch in Bau war. „Baustellen riechen ja oftmals schlecht. Diese aber roch sehr gut.“ Mittels Schiebetüren hat er sich die Wohnung so eingerichtet, wie er es für seine beiden Kinder, seine Frau und sich braucht. Beim Holz hatte er zuerst Bedenken, allerdings eher ästhetische: „Ich bin im Rheinland der 70er Jahre aufgewachsen, da waren Hobbykeller Standard. Ich fürchtete erst, eine Holzdecke könnte ähnlich ,gemütlich’ wirken. Aber schauen Sie es sich an.“ Tatsächlich hat die blitzblanke, glatte, helle, schicke Holzdecke über ihm absolut nichts von der Heimeligkeit eines Reihenhaues.

Die Fassade zur Straße wird von horizontalen, schmalen Balkonen geprägt, auf denen man nicht sitzen kann, die aber trotzdem die Wohnungen optisch nach draußen verlängern. Markant sind die roten Markisen. In Kontrast dazu ist die Fassade mit grauen Faserzementtafeln verkleidet, hinter denen sich Holz verbirgt.

Auf dem Dach haben die Architekten ein kleines Paradies geschaffen, eine Terrasse mit viel Platz zum Liegen, Lümmeln, in der Hängematte Chillen und Grillen. Jetzt im Sommer trifft sich regelmäßig das ganze Haus hier oben, lässt den Blick über Pankows Dächer bis zum Rathaus schweifen. Philipp Koch ist zufrieden. Er ist ja ein Wagnis eingegangen, als Architekt auch selbst hier zu wohnen: „Ich kenne viele Beispiele, bei denen Bauherren mit ihrem Architekten nicht mehr reden.“ Hier sei es anders, bis heute. Er muss seine Stimme heben, denn der eine große Nachteil des Hauses macht sich jetzt schnell bemerkbar: Tegel ist nah, noch donnern die Jets alle paar Minuten über die Terrasse hinweg. Ist der Flughafen erst zu, dürfte das Wohnglück in der Görschstraße perfekt sein.

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