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Leuchtet ein. Anlass für die Installation ist der 100. Jahrestag des Friedensvertrags von Versailles.

© promo

Auf dem Kreuzweg: Nikolaikirche zeigt Ausstellung zum 100. Jahrestag des Versailler Vertrags

Eine Installation in der Nikolaikirche erinnert an die Krise des Kontinents und regt an zur Lösungssuche.

Ein riesiges liegendes weißes Kreuz füllt den ganzen Innenraum des Museums Nikolaikirche in Mitte. Man kann es von der Tribüne aus in seiner Gesamtheit betrachten oder hindurchlaufen. „Kreuz Weg“ heißt die Installation der Künstlerin Mia Florentine Weiss, die bis 24. November zu sehen ist.

Anlass für die Transformation der Nikolaikirche in einen universellen Kreuzweg war der 100. Jahrestag des Friedensvertrags von Versailles. Wie es im digitalisierten Europa mit dem Frieden weitergehen soll, darüber sprachen am Dienstagabend im Schatten der Installation unter anderem die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, Dorothee Bär, der frühere Kultursenator Tim Renner, seine Tochter Viktoria und die britische Musikerin und „Young European of the Year 2018“ Madeleina Kay.

Dorothee Bär bedankte sich bei Kay für den Song „I Think We Should Stay“ mit dem Hinweis, es wäre ihr lieber gewesen, Boris Johnson hätte das Lied gesungen. Die Engländerin setzt sich vehement gegen den Brexit ein, seit sie an ihrem Geburtstagsmorgen vom Ausgang des Referendums erfahren hat. Im Internet wird sie deshalb kräftig gemobbt.

„Digital sagt man jemandem Sachen, die man niemals von Angesicht zu Angesicht aussprechen würde“, beschrieb sie ihre Erfahrungen. Genau da aber ist der Frieden aus Dorothee Bärs Sicht besonders gefährdet. „Hass-Sprache muss gestoppt werden“, benannte sie eine ihrer obersten Prioritäten. Und gab sich gleichzeitig optimistisch, indem sie Deutschland mit einem Rhinozeros verglich, das lange braucht, bis es sich aufrappelt, dann aber 55 Stundenkilometer schnell wird.

Viktoria Renner und Madeleina Kay ließen keinen Zweifel daran, dass Europa cool sei. Das müsse nur über die traditionellen Medien noch mehr verbreitet werden, sind sie sich einig. Werbeexperte Stephan Vogel glaubt hingegen, dass es mehr Visionen, Kampfesmut und Leidenschaft brauche. „Niemand wäre bereit, für Europa zu sterben“, sagte er.

Konkrete Handlungstipps für Europa-Freunde

Unter dem Kreuz befinden sich als Teil der Installation Säcke mit Erde aus 47 europäischen Ländern, Teil des Projekts #LOVEUROPE. Mithilfe einer Augmented-Reality-App kann man die Bilder im Katalog „zum Leben erwecken“ und etwa einem Ziehharmonikaspieler aus Litauen lauschen.

Konkrete Handlungstipps hatte Tim Renner dabei. „Jeder kann doch was machen“, sagte er. „Backt einen europäischen Kuchen. Ladet eure Freunde zur Europa-Party ein und streamt ein Video davon. Dann werdet ihr ein Teil der Lösung sein.“ Lange sei das Kreuz in Europa ein Symbol für das gewesen, was die Menschen auf dem Kontinent eint.

Ein Nachfolger sei noch nicht gefunden, sagte Paul Spies, Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin, zu der auch das Museum Nikolaikirche gehört. Dieses Kreuz erinnere ihn an einen Lichttunnel. So könnte es inspirierend für die Suche nach der Antwort auf die Frage wirken, was an die Stelle der Kirche treten könnte, die ihre Rolle als zentrale europäische Institution zur Beförderung der Empathie verloren hat.

Das Museum Nikolaikirche war einst ein christliches Gotteshaus und ist heute ein auch von Touristen gut besuchtes Baudenkmal. Für Paul Spies ist es ein idealer Ort, um über Fragen zur kulturellen Identität und zu neuen Wegen nachzudenken. Das gefallene Kreuz thematisiere nicht nur die Säkularisierung der europäischen Nationen in den vergangenen hundert Jahren, sondern auch die Krise der Europäischen Union.

Vor allem gehe es um die Frage, wie man im Internet Hass in Liebe verwandeln könne. Das Spiel mit den Wörtern Kreuz und Weg, die in einer Lichtskulptur zum Kreuz gefügt sind, will auch Handlungsräume eröffnen: Die Kreuzung als Ort von Begegnungen und Entscheidungen, die zu neuen Wegen führen können.

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