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Berlin: Auf den Content kommt es an

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Was sind Boygroups in der Politik? Seilschaften forscher Grünschnäbel, Verzeihung, Greenhorns? Nicht unbedingt. „Jetzt ist Schluss mit dem Gerede von der Boygroup und Männerbünden“, scherzte Stefan Liebich, als er den Fraktionsvorsitz der Linkspartei.PDS im Abgeordnetenhaus an die Kollegin Carola Bluhm abgab. Es lebe die Girlgroup der PDS! Andere Fraktionen haben schon lange „durchgegenderte“ (von gender, Geschlecht) Fraktionsspitzen, also weiblich und männlich besetzte.

Hauptsache Denglisch oder überhaupt internationaler Mischmasch, egal, wie lächerlich sich so etwas anhört. Ridikül, hätte Theodor Fontane gesagt. Aber die französische Welle ist längst verebbt. Dafür baden wir mit Lust in der englischen Flut. Wenn man mit einem politischen Vorhaben nicht vorankommt, ist das keine unendliche Geschichte mehr. „Manche hatten schon gespottet, der Flughafenbau … sei eine never ending story“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit vor dem Parlament. Sodann freute er sich über den „Spirit pro IBB“ und „das Go“ (für den Baubeginn).

Die Grünen bezweifeln, dass die Kostenkalkulation aufgeht: „Das Finanzierungskonzept setzt auf deutlich steigende Einnahmen im aviatorischen Bereich durch eine Zunahme der Passagiere.“ Die Planer setzen, nebenbei gesagt, mit ihrem Konzept auf mehr Passagiere, nicht etwa auf dickere. CDU und FDP kennen keine Billigfluglinie; „Low Cost Carrier“ klingt nicht gleich so billig.

Klar, dass sich der Flughafen als „Low-cost-Airport“ behaupten muss. Nein, die Imponiersprache ist gar nicht so schwer. Alexander Ritzmann (FDP) sprach von Fanmeilen und anderen „Public-viewing-Plätzen“ zur Fußball-WM. Nett, dass die rot-rote Koalition die Übersetzung für eine „Content-Richtlinie“ der EU in Klammern gleich mitgeliefert hat („Inhalte-Richtlinie“). Die Liberalen behielten ihr Herrschaftswissen für sich, als sie dafür plädierten, Jugendlichen das Bewusstsein für „soft skills“ beizubringen. Früher sagte man schlicht gute Manieren. Im Duden steht übrigens Soft Skill, Plural Soft Skills. Doch schließlich ist nicht nur die Schreibweise komplizierter modischer Fremdwörter ein weites Feld.

Ach, was soll man von dem ansteckenden Imponiergehabe halten? Die Werbeagenturen werfen täglich neue, scheinbar weltläufige Begriffe auf den Markt. „Cut and go!“, wirbt fix der schnelle Friseur. Unsere Politiker meinen auf der Höhe der Zeit zu sein, wenn sie uns mit fremden Brocken traktieren. Man braucht direkt ein Fremdwörterbuch, um sie zu verstehen.

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