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Berlin: Auf den Schuldspruch folgte nur eine Verwarnung des Angeklagten

Ein Weinkrampf schüttelt den Angeklagten. "Ich bin ein sensibler Hund", sagt er, und der Rest des Satzes geht in einem Schluchzen unter.

Ein Weinkrampf schüttelt den Angeklagten. "Ich bin ein sensibler Hund", sagt er, und der Rest des Satzes geht in einem Schluchzen unter. Montagvormittag im Saal 2108 des Amtsgerichts Tiergarten in der Kirchstraße: Zur Verhandlung steht ein tödlicher Unfall, der sich am 28. August 1999 beim Motorrad-Korso "Senioren auf heißen Öfen" auf der Bismarckstraße unweit der Deutschen Oper ereignete. Dabei war ein ehrenamtlicher Streckenposten mit seinem Motorrad auf ein abbiegendes Zweirad geprallt und hatte sich beim anschließenden Sturz tödlich am Kopf verletzt. Der Angeklagte steuerte das abbiegende Motorrad.

Der Vorwurf des Staatsanwalts lautet auf fahrlässige Tötung. Im Hintergrund steht dabei der Verdacht, dass sich der Angeklagte nicht umgeschaut habe, bevor er mit seiner BMW in die linke Fahrspur wechselte. Sonst, so die Vermutung, hätte der 51-jährige Hartmut S. sehen müssen, dass sich hinter ihm mit zügigem Tempo ein Motorrad näherte. Er sah es jedoch nicht, obwohl er sich nach eigener Darstellung im Rückspiegel vergewisserte. Ein Korso-Teilnehmer, der den Zusammenstoß aus fünf Meter Entfernung beobachtete, schilderte gestern seine Version des Unfalls. Danach fuhr der Streckenposten kurz vor dem Aufprall mindestens 60 Kilometer pro Stunde. "Ich habe ein Hochdrehen des Motors gehört", sagte der Zeuge. Der Aufprall war nach übereinstimmenden Zeugenaussagen schrecklich. Der Streckenposten verlor bei dem Zusammenstoß seinen Helm, flog durch die Luft und prallte mit dem Kopf gegen einen geparkten Pkw. Der Angeklagte verlor sein linkes Bein, seine Frau auf dem Sozius brach sich das Schlüsselbein und trug zudem Prellungen davon.

Klar wurde gestern, dass die 17. Auflage der von dem früheren Innensenator Heinrich Lummer "erfundenen" Motorrad-Rundfahrt unter keinem guten Stern stand. 16 Mal war nichts passiert, doch an diesem Augustsonnabend 1999 gab es gleich zwei Unfälle. Am frühen Nachmittag war bereits ein 70-jähriger Motorradfahrer in der Rennbahnstraße in Weißensee auf einen Pkw aufgefahren. Nach dem tödlichen Zusammenstoß um 17 Uhr 20 wurde der Korso sofort abgebrochen. Wie einer der Teilnehmer gestern am Rande des Prozesses sagte, denken Berliner Motorrad-Klubs bereits darüber nach, dem nächsten Korso fernzubleiben. Dies betrifft vor allem die 34 Mitglieder des BMW-Motorradklubs Berlin Spandau, zu dessen Mitgliedern auch der tödlich verunglückte Streckenposten gezählt hatte.

Richter Reiner Grabow und die beiden Schöffen an seiner Seite kamen nach kurzer Beratung zu ihrem Urteil. "Der Angeklagte ist der fahrlässigen Tötung schuldig und wird verwarnt", sagte der Richter und konstatierte "eine Vernarrtheit ins Motorrad". Der Verurteilte ging quasi straffrei aus und durfte nach Hause gehen. Wenn er zwei Jahre lang sich nichts zuschulden kommen lässt, fällt die Geldstrafe von 2500 Mark auf Bewährung weg.

Michael Brunner

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