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Berlin: Auf den Spuren von Jesse Owens

Das Olympische Dorf von 1936 erwartet zum Tag des offenen Denkmals erstmals ein großes Publikum

Es ist vollkommen still. Nicht mal ein Vogel piepst. Und auch die stark befahrene Bundesstraße 5 ist hier nicht zu hören. Die Sonne dampft auf dem kleinen Fleckchen Brandenburg, das vor vielen Jahren mal ein bisschen in der Geschichte mitgespielt hat. Auf Döberitz, wo 1936 das Olympische Dorf war, damals war das ein Gelände des Reichskriegsministers.

Matthias Kunze steht vor einer Reihe eingeschossiger Häuser mit Ziegeldach, 140 gab es davon, sie waren für 3738 männliche Sportler. Die Frauen waren in Stadionnähe untergebracht. Kunze zeigt auf eine Tür: „Hier muss Jesse Owens geschlafen haben“, sagt er und guckt erwartungsvoll in die Augen der Besucher. Jesse Owens, der Star der Olympischen Spiele von Berlin, jener schwarze Leichtathlet, der unter den missgünstigen Augen der Nazis vier Goldmedaillen geholt hatte und den Spielen unterm Hakenkreuz internationalen Charme verlieh.

Kunze ist der Vorsitzende des Fördervereins „Historia Elstal“ und organisiert an jedem ersten Sonnabend oder nach Absprache Rundgänge auf dem 125 Hektar großen Gelände. Meist hat er Zeitzeugen dabei, die vom Leben hier während der Spiele erzählen. Er zeigt nicht nur die bunt bemalten Wandbilder der Unterkünfte, die nach deutschen Städten benannt sind, er zeigt auch das Prunkstück des Geländes: das „Speisehaus der Nationen“. Jedes Land hatte hier seine eigene Küche, von denen vier wieder hergerichtet wurden.

Sein Verein kümmert sich liebevoll um die Erhaltung der Häuser. Doch viel ist nicht übrig geblieben. Die meisten Gebäude vom Olympischen Dorf stehen nicht mehr. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände von der Roten Armee besetzt und als Kaserne genutzt. Viele der Gebäude wurde abgetragen. Nur den Speisesaal, das Hindenburg-Haus sowie Schwimm- und Turnhalle haben die Soldaten weitergenutzt. Auch einige Unterkünfte haben sie stehen lassen. Ironie der Geschichte: Es waren ausgerechnet die Häuser, in denen die amerikanischen Sportler gewohnt haben. Das wussten die Russen nicht, und so ist das Haus von Owens unfreiwillig für die Nachwelt erhalten.

Mit eigenen Mitteln schafft es der Förderverein nicht, die wenigen, aber bedeutenden Überreste zu erhalten. Doch auch da half ein Zufall. Die Deutsche Kreditbank kaufte das Gelände nebenan für den Bau eines Wohnviertels und bekam das Gelände quasi gratis dazu. Da die Bank ohnehin stärker im Sport engagiert ist, ließ sie sich auch für die Erhaltung des Geländes gewinnen. So wurde der Sportplatz zwischen der Schwimm- und Turnhalle historisch wieder hergerichtet.

Noch vor drei Jahren musste der Hürdenstar Allen Johnson über Grasbüschel laufen, um zum Spaß über ein verbliebene Hindernis zu springen. Er hatte sich zu einer Privattour kurz vor dem Berliner Leichtathletik-Sportfest Istaf hierher fahren lassen und war fasziniert durch die alten Räume gelaufen – auf den Spuren seines Idols Jesse Owens.

Am Sonnabend wird das Dorf erstmals außerhalb einer geführten Tour einem breiteren Publikum zugänglich sein. Auch diesmal ist das Istaf, das am Sonntag im Olympiastadion stattfindet, der Anlass. Doch zum ersten Mal hat die Bank zusammen mit dem Förderverein und dem Berliner Sportmuseum einen Erlebnistag geplant. In den Gebäuden wird es ab elf Uhr Ausstellungen zu den Spielen von 1936 geben, dazu werden Sportler in historischer Kleidung und mit alten Sportgeräten ihre Sportart demonstrieren und auch Sportler wie Kugelstoß-Weltmeisterin Astrid Kumbernuss und Judo-Olympiasiegerin Yvonne Böhnisch werden auf dem Gelände sein.

Ingo Wolff

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