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Berlin: Auf der richtigen Wellenlänge

Als das Radio senden lernte: Vor genau 80 Jahren lief die erste Funkausstellung Die Berliner waren sofort begeistert und kamen zu Zehntausenden

Ein Radioapparat als Wunder: Vor genau 80 Jahren drängten sich die Berliner in der ersten „Großen Deutschen Funkausstellung“, um einen Blick auf einen Apparat namens Loewe OE 333 zu werfen. Das Radio – von der erst 1923 gegründeten Firma LoeweOpta gebaut – war für viele Besucher ein Traum. Mit Sprüchen wie „Wer will unter die Radioten“ oder „Willst du nicht mehr allein sein, lad’ dir die Welt in dein Zuhause ein“ wurde für das Gerät in Größe einer Zigarrenkiste geworben.

Es war die Zeit, als das Radio großwurde – so wie der Funkturm. Denn zur Eröffnung der Funkausstellung am 4. Dezember 1924 war er noch im Bau. Erst 1926 wurde die 150 Meter hohe Gitterkonstruktion fertig. Turm-Architekt Heinrich Straumer hatte auch die imposante Halle entworfen, die eigens zur Funkausstellung auf dem 1914 eingerichteten Messegelände gebaut worden war.

Unter den Ehrengästen der ersten Funkausstellung in Deutschland befand sich Reichspräsident Friedrich Ebert, der mit seiner Anwesenheit die Bedeutung des jungen Mediums Radio unterstreichen wollte. Sein Besuch sollte zudem Anerkennung und Ermutigung zugleich für Staatssekretär Hans Bredow sein. Er ging später in die Geschichte als „Vater des deutschen Rundfunks“ ein und als Organisator des deutschen Fernmeldewesens nach dem Ersten Weltkrieg.

Das Interesse an der neuen Funkausstellung war riesengroß. Über 100 000 Eintrittskarten wurden in den elf Ausstellungstagen verkauft, für damalige Verhältnisse eine eindrucksvolle Menge. Die Presse berichtete ausführlich über die Schau, an der sich 268 große und kleine Firmen beteiligten. Radiohören kam in Mode, und wer es sich leisten konnte, gab gern 40, 60 und noch mehr Reichsmark für Detektor- und Röhrenapparate aus. Das war zwei Jahre nach der schrecklichen Inflationszeit viel Geld. Wer nicht so viel hatte und im Basteln geübt war, baute sich aus Einzelteilen ein Radio samt Antenne zusammen.

Bei der Eröffnung der Funkausstellung Anfang Dezember 1924 konnte niemand ahnen, dass das Rundfunkwesen schon zehn Jahre später unter strenger Kontrolle der Nazis stand. Ihr Führer Adolf Hitler und sein Propagandaminister Joseph Goebbels bedienten sich des „gleichgeschalteten“ Radios, um ihre Parolen bis in den letzten Winkel des Reiches zu schreien. Prompt erhielt der auf einer der jährlich im Schatten des Funkturms veranstalteten Funkausstellungen mit großem Propagandaaufwand vorgestellte, absichtlich preiswert verkaufte Mittelwellensender VE 301 den Spitznamen „Goebbelsschnauze“. Nach der Pause während des Zweiten Weltkriegs folgte eine Zeit der Wanderschaft für die Funkausstellung. Die Messe gastierte in Düsseldorf und Frankfurt am Main – nur nicht mehr an ihrem Ursprungsort. Erst 1961 war sie wieder in Berlin – und mehrere Hunderttausend Besucher kamen. Es folgten mehrere Wechsel zwischen Berlin, Stuttgart, Düsseldorf, ehe die Messe 1971 auf Dauer nach Berlin zurückkehrte. Seither ist sie international ausgerichtet. Heute gilt sie als weltgrößte Messe für Heimelektronik – vom 2. bis 7. September 2005 findet sie wieder statt.

Eine Sternstunde wie 1967 wird wohl nicht zu erleben sein: Am 25. August drückte Willy Brandt damals auf den Knopf und startete das Farbfernsehen – inzwischen so selbstverständlich wie Radio.

Helmut Caspar

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