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Auf Deutsch gesagt: Die großen Unbekannten

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Verantwortung und Schuld sind zweierlei. Spitzenpolitiker tragen Verantwortung für die beabsichtigten wie für die unbeabsichtigten Folgen ihres Handelns, auch für Dinge, die sie nicht verschuldet haben. Manch einer muss die Verantwortung übernehmen und zurücktreten. Verantwortung kann belastend sein, und so probieren es Politiker gern, unangenehme Vorgänge möglichst gar nicht mit Personen in Verbindung zu bringen. Ein Musterbeispiel für diese verschleiernde Sprache lieferte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) neulich in seiner Regierungserklärung zur Landnahme-Affäre (der Bundesgerichtshof hatte die Vereinnahmung tausender Grundstücke als sittenwidrig gerügt).

Platzeck bedauerte, „dass sich das Land in einer Vielzahl von Fällen fehlerhaft verhalten hat und dadurch das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert wurde“. Bis zum Urteil des Bundesgerichtshofes sei „das Land von einer anderen Rechtslage ausgegangen“. Nunmehr sei es notwendig, „das beanstandete Verwaltungshandeln“ zu korrigieren. Das war köstlich, ein perfekter Schleiertanz. Du liebe Güte, das Land, das Land! Und wer hat in dieser Angelegenheit gehandelt, Vertrauen erschüttert? Der Regierungschef, die Regierung, der zuständige Minister, kommunale Behördenchefs? Oder ein Anonymus mit Geisterhand?

Nun ja, man hat sich wohl an die Anonymisierung gewöhnt. Sie ist bei weniger spektakulären Vorgängen schon lange gang und gäbe. Selbst Oppositionspolitiker lassen sich die Chance entgehen, Ross und Reiter zu nennen. In einem Antrag der Grünen-Fraktion des Abgeordnetenhauses zum Thema Flughafen Schönefeld las ich: „Die Unterlagen zur Planfeststellung kommen der Forderung des Gerichts nicht nach.“ Zwar wird im nächsten Satz das „Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg als Planfeststellungsbehörde“ genannt, aber an dessen Spitze wird doch ein verantwortlicher Minister stehen. Abgesehen davon bleibt sowieso schleierhaft, wie Unterlagen einer Forderung nachkommen sollen.

Auch ist ständig von Entscheidungen irgendeiner Senatsverwaltung die Rede, und man hört in der parlamentarischen Fragestunde Sätze wie diesen: „Seit wann hat die Senatsverwaltung für Justiz Kenntnis hiervon?“ Als sei so ein Senator nebensächlich, was nicht gerade von Respekt vor dem Amt zeugt, das er bekleidet. Immerfort haben wir es mit Gutachten zu tun, die etwas feststellen, obwohl dies die Gutachter tun. Da wundert man sich schon nicht mehr über den sprachlich unsinnigen Begriff „beauftragtes Gutachten“ oder „senatsbeauftragtes Gutachten“. Ach, sie sollten sich nicht erst bei Skandalen an Personen halten.

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