zum Hauptinhalt

Berlin: AUF DEUTSCH GESAGT Doppelt gemoppelt

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Wenn Politiker reden, dann wollen sie für ihre Anliegen werben. In der Regel. Manchmal aber drücken sie sich um klare Worte, weil es den Wähler verprellen könnte. Wie Politiker sprechen, und was sie wirklich meinen – darüber schreibt Brigitte Grunert.

Unsere Abgeordneten wälzen immerfort die Probleme „des Landes Berlins“ und beäugen sorgenvoll den Haushalt „des Landes Berlins“. Dabei malträtieren sie in schrecklicher Weise den armen Genitiv. Das ist eine Spezialität von Oliver Schruoffeneger (Grüne), aber Kollegen aller Fraktionen folgen ihm in diesem Punkt blindlings. Senatoren stehen ihnen nicht nach. Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) brachte es fertig, an eine Entscheidung „des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgens“ zu erinnern. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) hat eine andere Vorliebe. Er sprach vom „1. Mai diesen Jahres“ und vor dem Parlament vom „1. Dezember diesen Jahres“. Im Manuskript seiner Parlamentsrede stand die Abkürzung „d. J.“, Strieder las: „diesen Jahres“. Auch Strieder würde sich gewiss daran stoßen, wenn man den Inhalt „seinen Manuskripts“ oder die Rede „diesen Senators“ lobte oder kritisierte. Beim Genitiv des Substantivs hat das Pronomen eben nichts im Akkusativ zu suchen. Trotzdem redet er von Daten „diesen Jahres“. Mit ihm machen viele diesen Fehler. Vermutlich ziehen sie gedankenlos einen falschen Analogieschluss. Wir sagen ja korrekt „nächsten Jahres“ und „vorigen Jahres“.

Nur sind Adjektive und Pronomen zweierlei. Der Genitiv von Artikeln und Pronomen lautet im Singular in der männlichen und sächlichen Form nun mal: des, eines, dieses, jenes. In der weiblichen Form heißt es: der, einer, dieser, jener. Diesen, einen, jenen, den kennen wir im Singular nur als Akkusativ der männlichen Form. Senator Strieder meinte folglich den 1. Mai und den 1. Dezember „dieses Jahres“. Gehört dagegen zum Substantiv ein Eigenschaftswort, dann hat das deklinierte Adjektiv seine eigene Endung: Ende (des) vorigen Jahres, Anfang (des) nächsten Jahres, Mitte letzter (der letzten) Woche, eines schönen Tages, das Ende einer großen Affäre.

Doppelt hält der Genitiv mitnichten besser. Es gab keine Entscheidungen eines doppelt gemoppelten „Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgens“. Man muss sich entscheiden, ob man den Titel beugt oder den Namen. Wird die Amtsbezeichnung dekliniert, ist der Name nachrangig und wird nicht gebeugt. Man stellt bloß klar, welcher Regierungschef gemeint ist. Also gab es nur Entscheidungen „des Regierenden Bürgermeisters Diepgen“. Ebenso verhält es sich mit dem Etat. Wird der Landesetat gebeugt, ist das Wort Berlin nur Beiwerk zur näheren Orientierung. Gemeint ist der Haushalt des Landes Berlin oder der Landeshaushalt Berlins. Dem Jungen steht ja beim Genitiv auch kein zusätzliches „s“ zu, allerdings den Mädchen unbedingt. Jedes Kind kennt den Unterschied zwischen der Mütze des Jungen und der Mütze des Mädchens.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false