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Auf Deutsch gesagt: Schuldunfähig

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Früher als anderswo soll in Berlin Schluss sein mit der Schuldenmacherei der öffentlichen Hand. So ist es im Doppelhaushalt 2008/2009 vorgesehen, und wenn die Rechnung aufgeht, kommt der Senat erstmals seit Jahrzehnten ohne neue Kredite aus, die Einnahmen sollen sogar die Ausgaben übersteigen. Natürlich würde es die Opposition vermeiden, von einem Erfolg der Regierung zu sprechen. In einem Antrag der FDP- Fraktion des Abgeordnetenhauses hieß es, der (eingeplante) Überschuss sei „zu einem erheblichen Teil der bundesweiten positiven Wirtschaftsentwicklung und den daraus resultierenden Steuermehreinnahmen geschuldet“.

Warum geschuldet? Sprudelnde Steuerquellen sind ein Segen, aber kein Einnahmeplus ist der guten Konjunktur geschuldet. Vielmehr haben wir den Überschuss der positiven Wirtschaftsentwicklung zu verdanken, wenn nicht auch der Sparpolitik des Senats. Hingegen ist der Abbau des riesigen Gesamtschuldenbergs künftigen Generationen geschuldet. Doch dass es möglich ist, mit der Schuldentilgung zu beginnen, damit nicht mehr so viel Geld für Zinszahlungen draufgeht, hat mit den günstigen Bedingungen zu tun.

In einem anderen Antrag, ebenfalls der FDP-Fraktion, in dem es um organisatorische Probleme der Schule ging, las ich: „Diese Schwierigkeiten, die sicherlich zu einem Teil auch der mangelnden Intransparenz bei der Zuweisungsentscheidung geschuldet sind, gilt es zu beseitigen.“ Du liebe Güte, „mangelnde Intransparenz“ kann man doch nicht beklagen. Sie ist im Gegenteil lobenswert, denn wo die Intransparenz fehlt, ist Transparenz, und Transparenz ist sinnvoll. Schon gut, hier ist mangelnde Transparenz gemeint. Schwierigkeiten aber sind niemandem und keiner Situation geschuldet. Das wäre ja noch schöner. Schwierigkeiten sind bedauerlich, misslich, ärgerlich. Der Bildungssenator schuldet den Eltern wie den Kindern eine vernünftige Organisation der Schule und die bestmöglichen Lernbedingungen. Wenn das nicht klappt, sind ja auch nicht die Umstände schuld, wie oft behauptet wird, sondern Personen, denn nur Personen sind überhaupt schuldfähig.

Nun kommt es öfter vor, dass das Verb „schulden“ falsch gebraucht wird. Die zitierten Sätze sind nur Beispiele dafür. Wenn ich jemandem verpflichtet bin, schulde ich ihm etwas, etwa Geld oder Dankbarkeit, Rücksicht, Respekt, Anerkennung, die Antwort auf eine Frage. Doch niemals schulden wir anderen Kummer und Leid. Wir fügen sie womöglich anderen zu und machen uns damit schuldig. Ach, unserer Sprache schulden wir keine Verwechslung der Begriffe, sondern die richtige Wortwahl.

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