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Quietscheenten auf dem Grabstein. Von Bülow wäre am Dienstag 90 Jahre alt geworden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Auf Loriots Friedhof in Berlin-Charlottenburg: Der Engel, der ein Erpel war

Vicco von Bülow wäre am Dienstag 90 Jahre alt geworden. Wie viele Quietscheenten sind's denn mittlerweile auf dem Grabstein? Thomas Lackmann hat nachgezählt.

Bei der Annäherung an die letzte Adresse des größten preußischen Clowns präsentiert sich die Nachbarschaft als Sketchvorlage. Auf dem Portal zum Waldfriedhof Heerstraße steht: „Bitte Tür schließen. Wildschweingefahr!“ Das Verbotspiktogram daneben zeigt freilich keinen Eber, nur einen Terrier (was heißt: Möpse dürfen!). Ein paar Meter weiter, am Hintertor zur Trauerhalle, ist dann nur noch die resignierte, ans Schwarzwild gerichtete Bitte zu lesen „Tür leise schließen“. Vicco von Bülow, dessen 90. Wiegenfest seine Verehrer am Dienstag begingen, ruht auf dem malerischsten Friedhof von Berlin. Beim Abstieg von der Böschung fallen dem Besucher Horden von gelben Tieren ins Auge, für die es eingangs kein Verbotsschild gab: worauf sie, so sieht es von oben aus, das Ehrengrab wie ein Kinderzimmer vollgemüllt haben.

Wenn besinnliche Stille einkehrt an der, von nahem betrachtet, sehr schönen Ruhestätte, zeigt sich jedoch: Die Idee einer Live-Begegnung ist hier so abwegig nicht. Das perfektionistische Spielkind Loriot mit seinem unsterblichen Lächeln erscheint an diesem Federwolken-Tag im Kreis seiner Gäste lebendiger, als die Sterbeurkunde behauptet. Auf dem Grab liegen zwar konventionelle Kränze. Aber unter der Steinbank am Rand hocken tatsächlich eine fette und eine Mini-Quietsche-Ente.

Unter der in die Böschung eingelassenen, seewärts gerichteten Grabplatte mit von Bülows Lebensdaten tummeln sich 23 weitere, ein Frosch und ein Wendelin-Elefant. Ente Nr. 26 und ein Wum-ähnlicher Radreflektor balancieren auf der oberen Plattenkante. 61 drängeln sich in der Holzklasse, hoch auf der Brüstung der Anlage.

Übers Wasser wehende Quak-Signale kündigen an, dass weitere Gratulanten aus jener legendären Wanne zu erwarten sind, in die sich für einen historischen Moment deutscher Selbsterkenntnis, am 15. Juni 1978, ein gewisser Dr. Klöbner samt Bade-Spielzeug verirrt hatte. Grabbeigaben wie Sklaven und Haustiere, das wussten schon die alten Ägypter, verschaffen ruhmreichen Ahnen im Jenseits einen respektablen Auftritt. „Ihm gab ein Erpel das Geleit / genannt Herr Müller-Lüdenscheidt.“

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