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Berlin: Auf morscher Achse

Osteuropäische Busse und Lkw fallen oft mit gefährlichen Mängeln auf – jetzt beendete die Polizei eine Pilgerfahrt lettischer Jugendlicher vorzeitig

Die jungen lettischen Pilger wollten nach Frankreich – zum Beten. Doch die Polizei stoppte ihre Fahrt in Berlin, wo sie einen Zwischenstopp zur Stadtbesichtigung machten. „Der Bus hätte keinen Meter mehr fahren dürfen“, sagte gestern Joachim Meisel von der Verkehrspolizei der Direktion 2. Seine Leute hatten den richtigen Riecher, als sie den Doppeldeckerbus aus Riga in der Flatowallee in Charlottenburg sahen – denn eigentlich war es ein moderner Bus deutscher Herkunft. Als der Neoplan-Dreiachser am Straßenrand stand, entschieden die Beamten, dieser Bus fährt keinen Meter mehr.

Der 1988 erstmals zugelassene Bus vom Typ Neoplan 117 war gebraucht gekauft worden – und seitdem haperte es offensichtlich mit der Wartung. „Die Osteuropäer sehen das nicht so eng“, hieß es bei der Verkehrspolizei. „Wir hören oft die Sätze: ,Der bremst doch noch‘ oder ,Der fährt doch noch‘“. Eine Million Kilometer oder mehr auf dem Tacho seien normal. Doch mittlerweile ist das Problem der verkehrsunsicheren osteuropäischen Lastwagen und Busse so groß geworden, dass der Bundesgrenzschutz an der Grenze seit einiger Zeit verstärkt die Fahrzeuge in Augenschein nimmt. „In letzter Zeit treten Mängel verstärkt auf“, sagte BGS-Sprecher André Behlendorf. Die Beamten seien von Fahrzeugspezialisten geschult worden, auf welche Schwachstellen sie besonders achten sollen. Verkehrsunsichere Fahrzeuge würden nicht über die Grenze gelassen, sagte der Frankfurter BGS-Sprecher: „Das ist mittlerweile Alltag.“

Bei dem lettischen Bus schrieb gestern ein Gutachter, der das 15 Jahre alte Fahrzeug an Ort und Stelle untersuchte, eine Mängelliste von imposanter Länge. Die wichtigsten Punkte in Kürze: Das Fahrzeug hätte jederzeit eine Achse verlieren können, denn der Rahmen war verrostet und hatte Risse. Gebremst wurde die dritte Achse ohnehin nicht mehr, da die Luftventile hinter der zweiten Achse abgerissen waren. Der Luftbehälter der Bremse war stark verrostet, das Typenschild fehlte. Wenn man das Lenkrad bewegte, reagierten die Vorderräder noch lange nicht, so groß war das Spiel in der Lenkanlage. Die Radlager waren defekt und die Verschraubung nicht gesichert. Dass die Sicherheitsgurte fehlten, die Notausgänge nicht gekennzeichnet waren und manch Scheinwerfer nicht funktionierte, gehörte zu den eher kleineren Mängeln. Die Beamten beschlagnahmten die Fahrzeugpapiere und die Kennzeichen und forderten eine Sicherheitsleistung von 1500 Euro. Der Bus wurde in eine Werkstatt geschleppt. „Da gehörte er seit langem hin“, hieß es bei der Polizei.

Für die 30 Pilger im Alter von 14 bis 18 Jahren mit ihrer Betreuerin stellte die lettische Busfirma ein Ersatzfahrzeug. Wie der herbeigerufene Dolmetscher den Beamten sagte, habe sich der 47 Jahre alte Fahrer der Firma „Sia Air Isaim“ bei Abfahrt gewundert, wieso ihm sein Chef das älteste der 16 Modelle für die lange Fahrt nach Frankreich zugeteilt hatte – doch er startete dann zu der viele tausend Kilometer langen Tour durch halb Europa. Immerhin hat er fast zehn Jahre Fahrpraxis mit Bussen, ausgestellt war sein lettischer Führerschein am 29. Oktober 1993.

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