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Berlin: Auf Nummer sicher

Schön langsam: Im Telefonbuch blättern oder mal wieder ein Telegramm senden

Die Erfindung des Fernsprechapparats war dem gemeinen Berliner anfangs suspekt: Er glaubte an einen Schwindel aus Amerika. Als 1881 Berlins erstes Telefonbuch erschien, wurde es deshalb im Volksmund als „Buch der 99 Narren“ bezeichnet. 185 Teilnehmer waren in dem „Verzeichniss der bei der Fernsprecheinrichtung Betheiligten“ registriert. Heute sind es mehr als eine Million – darunter elf Narren. Zumindest gibt es so viele Einträge zum Namen Narr.

Am Montag ist das neue Telefonbuch erschienen. In den kommenden vier Wochen wird es in allen Postfilialen sowie in verschiedenen Media-Märkten und Jet-Tankstellen kostenlos verteilt. Die Auflage beträgt 650 000 Exemplare, hinzu kommen noch einmal so viele CD-ROMs. Dass die Printversion nach wie vor zeitgemäß ist, davon ist Frank Wenz vom TVG-Verlag, in dem das Telefonbuch erscheint, überzeugt – auch wenn die Auflage im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent gesunken ist. Immer mehr Menschen würden Nummern per Internet abfragen, sagt Wenz. In Berlin geschehe das etwa zwei Millionen Mal monatlich. Die gedruckte Version sei vor allem für „ältere Herrschaften“ unabdingbar. Viele Nutzer blätterten lieber in einem Buch als sich umständlich durchs Internet zu klicken. Die Papierausgabe wird also so bald nicht aussterben. Sie sei bislang jedenfalls nirgendwo vom Markt genommen worden, weder in Deutschland noch im Ausland, sagt Wenz.

Die Verbundenheit zu traditionellen Kulturtechniken ist vielleicht einer der Gründe, warum die Deutsche Post in Zeiten von E-Mail und SMS immer noch Telegramme anbietet. Wer eine Nachricht von bis zu zehn Wörtern verschicken möchte, muss dafür 15,20 Euro bezahlen. Zugestellt wird sie am folgenden Werktag, gegen einen Zuschlag von 10,50 Euro auch sonn- und feiertags. „Gedacht ist das Telegramm als Gruß für besondere Anlässe“, sagt Sylvia Blesing, Sprecherin der Post. Wie oft das Angebot genutzt wird, wollte sie nicht sagen. Es seien überwiegend Firmen, die Telegramme verschicken. „Es handelt sich dabei um eine traditionelle Dienstleistung, die wir aufrechterhalten.“ Für zusätzliche Schmuckblätter müssen die Kunden 4,20 Euro mehr bezahlen. Dafür können sie zwischen vier Motiven wählen. Wer sich für das Bild „Sektgläser“ entscheidet, kann dem Empfänger dank eines integrierten Musikchips auch ein kleines Ständchen schicken („Hoch sollst du leben“). Billiger wäre es, zum Telefonbuch zu greifen, die Nummer rauszusuchen und dann in den Hörer zu singen.

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