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Berlin: Auf Schritt und Tritt im Visier der Kameras

Vor allem in der Innenstadt ist die Überwachung inzwischen fast flächendeckend. Und eine Kontrolle der Kontrolleure fehlt

Ein Entkommen ist auch nach dem jüngsten Gerichtsurteil fast unmöglich. Obwohl das Amtsgericht Mitte entschieden hat, dass Passanten durch die flächendeckende Kameraerfassung in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt werden, muss man vor allem in der Innenstadt weiter damit rechnen, von einer Kamera erfasst zu werden. Besonders dicht bestückt ist der Bereich Friedrichstraße/Unter den Linden. Allerdings ähnelt die Überwachung einem unübersichtlichen Flickenteppich, eine zentrale Kontrollinstanz gibt es nicht. Sie fehlt aber auch für die Überwacher. Das Installieren von Kameras muss nicht gemeldet oder gar genehmigt werden.

An fast jedem Büro- und Geschäftshaus hängen inzwischen Kameras, die nicht nur den Eingangsbereich oder den Innenraum erfassen. Zum Teil werden auch komplette Straßenzüge aufgenommen. Sie sind nach Ansicht der Humanistischen Union offenbar bereits eine bauplanerische Selbstverständlichkeit in den neu errichteten Innenstadtbereichen. Wie viele andere Einkaufs- oder Vergnügungspassagenbereiche werde unter anderem das Sony-Center am Potsdamer Platz „diskret totalüberwacht“. Wie viele Kameras es dort gibt, wollte man bei Sony nicht sagen. Sie seien zur Sicherheit der Besucher und der Beschäftigten angebracht.

Ähnlich sieht es im Umkreis der Bundesbauten aus. Fast 1500 Kameras hängen bundesweit; die Mehrzahl davon dürfte in Berlin installiert sein, vermutet die Humanistische Union. Die etwa zehn Quadratkilometer des Regierungsviertels würden von einer gemeinsamen Leitstelle des Bundesgrenzschutzes (BGS) und der Polizei wohl nahezu umfassend per Video kontrolliert.

Nahezu unter perfekter Kontrolle stehen inzwischen Fahrgäste im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel. Allein am Ostbahnhof hat die Bahn nach Tagesspiegel-Informationen rund 70 Kameras angebracht, die auch den öffentlichen Vorplatz erfassen. Die Bahn beruft sich dabei auf ihr Hausrecht. Auch die BVG lässt mehr als 700 Kameras auf Bahnhöfen und in Fahrzeugen laufen.

Die Zahl der Vandalismusschäden sei in überwachten Bahnen und Bussen erheblich gesunken, sagte BVG-Sprecherin Barbara Mansfield. Ähnlich argumentiert die Bahn. Ihr Sprecher Holger Auferkamp sagte, fast überall, wo die Bahn Kameras aufgestellt habe, sei die Zahl der Straftaten gesunken. Es sei auch gelungen, Täter, die von der Kamera „erwischt“ worden waren, an Ort und Stelle festzunehmen. Kritiker befürchten, dass die Kriminalität damit nur verdrängt werde – bis an den Stadtrand.

Die amtlichen Datenschützer können das Überwachungssystem nur sporadisch kontrollieren. „Dazu fehlt uns einfach das Personal“, sagte die Sprecherin des Berliner Datenschutzbeauftragten, Anja-Maria Gardain. Die Behörde sei deshalb vor allem auf Hinweise angewiesen. Auch der Umgang mit aufgezeichneten Bildern kann nicht überwacht werden. Sie müssen zunächst „sicher gespeichert“ und anschließend gelöscht werden.

Mit Hilfe einer Kamera, die die Wohnungsbaugesellschaft GSW im Hausflur eines Hochhauses an der Schluchseestraße in Reinickendorf angebracht hat, konnte ein Sexualstraftäter festgenommen werden, der sich im Keller an einem sechsjährigen Mädchen vergangen hatte. Er war nach der Tat beim Verlassen des Hauses gefilmt worden.

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