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Berlin: Auf zu neuen Ufern

Junge Berliner haben ein altes Stasi-Heim am Sacrower See übernommen und laden zum Landleben ein.

Gross Glienicke - Das Telefon legt Timm Kleist gar nicht erst beiseite. Der gelernte Koch und Restaurantmanager trifft letzte Absprachen. Schließlich ist am Ostersonntag große Eröffnung. Kleist ist einer von drei jungen Berlinern, die das einstige Erholungsheim der DDR- Staatssicherheit und frühere Restaurant „Waldfrieden“ in Groß Glienicke mit Leben füllen wollen, besser: mit „Landleben“. So heißt das Lokal an der Seepromenade 99 jetzt.

Der Weg zum einstigen Spitzelparadies am Ufer des Sacrower Sees führt durch einen dichten Kiefernwald. Ein paar Wochen lang wurde die Idylle unterbrochen vom Kreischen der Kettensägen, von Hämmerschlägen und dem Rattern von Bohrmaschinen. „Das hier ist eine Herzensangelegenheit“, sagt Kleist. Der Geschäftsführer ist 28 Jahre alt. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Katharina Diekmann, 27 Jahre, und seinem Partner und Küchenchef Matthew Davies, 32 Jahre, hat er das Waldfrieden übernommen, samt Kiosk an der nahen Badestelle und sieben Hotelzimmern.

Die drei hätten lange über die Investition nachgedacht. Zunächst schien ihnen das Risiko zu groß, sagt Kleist. „Aber im Sommer ist hier die Hölle los.“ Fast ein ganzes Jahr erkundeten sie das Terrain – an Wochenenden und in der Woche. Selten waren sie allein. Aus Potsdam und Berlin kommen die Besucher, um für ein paar Stunden oder sogar ein paar Tage auszuspannen, sagt Kleist. „Es ist ein traumhafter Platz“ – an dem er und seine Freundin auch leben. Sie bezogen die Einliegerwohnung im Dachgeschoss .

Katharina Diekmann, gelernte Hotelfachfrau und studierte Betriebswirtschaftlerin, führt gern durch das geschichtsträchtige Gasthaus. Bevor die Staatssicherheit ihre Spitzel zur Erholung hierherschickte, lagerte ein Sekthändler im Haus seine Ware. Auch ein Restaurant betrieb er. Die Stasi ergänzte den flachen Bau am Seeufer später mit einigen Lauben im Wald. Noch heute sind die Fundamente der Bungalows zu sehen. Nach dem Fall der Mauer wurde das Anwesen wieder als Lagerstätte genutzt: statt Sekt dieses Mal – Stoßdämpfer. Erst später zogen hier wieder Köche, Kellner und Hoteliers ein.

Von den Fliesen bis zu den Lampen haben die drei jungen Berliner fast alles im Innern verändert. Die Toiletten sind erneuert, im Foyer entstand eine kleine Hausbibliothek und im Gastraum wurde der Tresen modernisiert. Das Parkett ist frisch abgezogen und geölt. Familie und Freunde hätten mitangepackt, sagt Diekmann. „Die haben sich gefreut, mal aus der Stadt herauszukommen.“ Im Untergeschoss wurde der rosa Putz von den Wänden geschlagen.

Die sieben Hotelzimmer erstrahlen in Weiß und bläulichem Petrol. Etwa 50 Euro soll eine Übernachtung im Doppelzimmer samt Frühstück kosten. Etwa 40 Euro kostet ein Zimmer mit Gemeinschaftsbad. „Wir wollen uns Stück für Stück vergrößern“, sagt Diekmann. Ab Herbst soll auch der Veranstaltungssaal vermietet werden.

Das Landleben ist knapp 50 Meter vom Mauerradweg gelegen, auch ein Waldweg führt am Ufer entlang zum Restaurant. Die Speisekarte steht bereits: Weideochse mit Kartoffelgratin oder Flammkuchen mit hausgebeiztem Lachs sind darauf zu finden. „Wir legen aber großen Wert darauf, dass wir mit saisonalen und regionalen Produkten arbeiten“, sagt Kleist. Neben Fleisch und Gemüse von Landwirten der Region und Kräutern aus dem eigenen Garten soll es frischen Hecht, Steinkarpfen und Zander aus dem Sacrower See geben.

In der Küche steht vor allem Matthew Davies. Der Engländer hat vorher schon in New York, Frankreich und in der Schweiz gekocht. Zusammen haben Kleist und Davies das Restaurant „Fagiano“ in der Berliner Fasanenstraße zur bekannten Adresse für Fans der italienischen Küche gemacht. Die Nudeln sollen nach Groß Glienicke exportiert werden. „Ein Glas Wein auf der Seeterrasse, dazu ein Fisch, von dem ich weiß, dass er am Morgen noch geschwommen ist, das wird großartig“, sagt Kleist. Dann greift er wieder zum Telefon. Eine Bestellung steht noch aus.

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