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Berlin: Aufpasser als Auslaufmodell

Die Kiezläufer in Wedding haben sich bewährt. Doch es ist kein Geld mehr da

Wer vorhat, seine Rollschuhe zu verlieren, sollte das, wenn möglich, im Soldiner Kiez in Wedding tun. In dieser Gegend, die mit etwa 39 Prozent Arbeitslosigkeit und einem Ausländeranteil von rund 42 Prozent als sozialer Brennpunkt gilt, stehen die Chancen sie zurückzubekommen besonders gut: Neulich hätten sie Rollerskates auf einem Spielzeug an der Panke liegen lassen, erzählt Dieter Hoffmann, der Erzieher in der „Klapperkiste“, einem Kinderladen in der Soldiner Straße. „Und prompt standen die beiden mit den Schuhen hier vor unserer Tür.“

Die beiden, das sind Werner Blesing und Peter Manasse. Ihre offizielle Arbeitsbezeichnung lautet Kiezläufer, passend wäre aber auch Kiez-Kümmerer. Seit 2002 machen sie diesen Job und sorgen für Ordnung, in vielerlei Hinsicht: Ausrangierte Sofas und Kühlschränke, die den Gehweg versperren, führen die Männer der BSR zu und Schulschwänzer dem Unterricht. Mit Erfolg: Im Soldiner Kiez ist es sauberer als mancherorts in Neukölln oder Schöneberg, und der Junge auf der Bank an der Panke nimmt eilig den letzten Zug von seiner Zigarette, als Blesing und Manasse ihm entgegenkommen, und erklärt ebenso unaufgefordert wie wortreich, er gehe natürlich gleich los, zum Unterricht.

Wenn es nach Blesing und Manasse ginge, könnte es so weiterlaufen. Sie bekommen 1280 Euro monatlich, mögen ihren Job. Doch die Stelle des 44-Jährigen, bislang finanziert vom Quartiersmanagement, läuft am 31. Dezember aus. Von ihrer Seite aus sei eine Verlängerung nicht möglich, meint die Quartiersmentorin Sonya Kraus, für 2007 stünden ihnen rund 300 000 Euro weniger zur Verfügung. Die Quartiersmanagerin Alexandra Kast weist darauf hin, dass sie Manasse angeboten hätten, seine Arbeit als Ein-Euro-Jobber fortzusetzen. Die werden vom Jobcenter bezahlt, das auch – im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms für ältere Menschen – für den 58-jährigen Blesing aufkommt. „Doch das wollte er nicht“, so Kast. Darauf angesprochen erklärt Manasse: Natürlich wollte er das nicht, wegen des Geldes nicht, aber vor allem – und das betont er – weil das Image eines Ein-Euro-Jobbers ein schlechtes sei, was wiederum sein Ansehen im Kiez gefährde.

Nun soll er seinen Nachfolger anlernen. Am ersten Einarbeitungstag haben Blesing und Manasse den Neuen nach zwei Stunden wieder im Quartiersmanagement abgeliefert. „Der Bengel tut uns ja leid“, sagt Blesing. „Aber es kann halt nur zwei Kiezläufer geben, und die sind wir.“ Für die Leute seien sie wie Freunde.

Das findet Cetim Ismail, der in einem Zeitungsladen in der Drontheimer Straße arbeitet, nicht. Die beiden seien wie Polizisten, sagt er. „Aber sie helfen immer.“ Vorige Woche zum Beispiel, da sei die Straßenlaterne vorm Geschäft ausgefallen. „Morgens habe ich den beiden Bescheid gesagt, und nun geht sie wieder.“ An wen er sich wenden würde, wenn es die Kiezläufer nicht gäbe? Cetim Ismail überlegt einen Moment, schüttelt dann den Kopf: „Dann wüsste ich niemanden.“

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