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Soll man mit der AfD sprechen, auch wenn man gegen rechts ist? Die Macher des Lokalblatts "Kiez und Kneipe" entschieden sich dafür.

© Stefan Sauer/dpa

Auftritt von AfD-Politiker: Linksextreme schüchtern Berliner Kiezblatt ein

In Neukölln wird eine Veranstaltung mit AfD-Politiker Andreas Wild abgesagt. Der Grund: Linksextreme hatten die Veranstalter bedroht.

Linksextreme haben in Neukölln eine politische Veranstaltung der Bezirkszeitung „Kiez und Kneipe“ mit dem AfD-Abgeordneten Andreas Wild verhindert. Im Rahmen des Bundestagswahlkampfs hatte das Blatt die Direktkandidaten aller Parteien jeweils zu einem Gespräch in ein Lokal gebeten. Doch nachdem die Aktivisten Druck auf die Moderatoren, den Wirt und die Anzeigenkunden der Zeitung ausgeübt hatten, sah sich die Redaktion gezwungen, sowohl die Veranstaltung mit Wild, als auch die Gespräche mit den übrigen Direktkandidaten abzusagen.

"Angriff auf die Pressefreiheit"

„Das ist ein Vorgang, der zutiefst antidemokratisch ist“, sagt Peter Kaspar, Gründer der Kreuzberger Ausgabe von „Kiez und Kneipe“. Da die Redaktion „definitiv gegen rechts“ sei, habe er kein Verständnis für das Verhalten der Linksaktivisten. Die Entscheidung der Neuköllner Kollegen, auch alle anderen Diskussionsveranstaltungen abzusagen, hält Kaspar für bedauerlich, aber konsequent: „Damit setzt die Redaktion ein klares Zeichen, dass das ein Angriff auf die Pressefreiheit und die Demokratie war.“

Petra Roß, Chefredakteurin der Neuköllner Ausgabe, verteidigt die Absage ebenfalls. „Es wurde einfach zu brenzlig und ging um unsere Existenz“, sagt sie. Sie berichtet von Drohanrufen und Mails der Antifa und anderen linken Gruppierungen. Auch die Anzeigenkunden wurden angeschrieben und aufgefordert, ihre Werbung einzustellen. „Ein Anzeigenkunde ist bereits abgesprungen und nannte diesen Aufruf als Begründung“, sagt Roß.

Dass man mit Wild einen AfD-Hardliner eingeladen hatte, war Roß bewusst. „Wir haben das nur zähneknirschend gemacht“, sagt sie. Man habe aber bereits vor der letzten Bundestagswahl Politiker aller in der Neuköllner BVV vertretenen Parteien eingeladen. „Die AfD ist für mich eigentlich indiskutabel, aber sie ist einfach gewählt worden“, sagt Roß.

Wild erstattet Anzeige

Andreas Wild äußerte sich wenig überrascht über den Vorgang. Er habe das so befürchtet, sagt er. „Das ist ein deutliches Zeichen, in welchem Zustand sich unsere Demokratie befindet.“ Wild hat inzwischen Anzeige wegen Nötigung erstattet. Erst vor drei Wochen war er von mutmaßlich Linksautonomen am Rande des AfD-Parteitags in Köln getreten und bespuckt worden. Der 53-Jährige gilt wegen seinen rechten Parolen als Intimfeind der Antifa. Er selbst gibt zu, gezielt zu provozieren. „Die AfD braucht die Provokation und die Polarisierung – sonst wachen die Leute nicht auf“, sagt er.

Petra Roß will, anders als Wild, keine Anzeige erstatten. Sie wolle keinen Ärger sagt sie. Akute Angst habe sie keine, trotzdem: „So ein Vorfall macht schon etwas mit einem“, sagt sie. Auch deshalb sei sie froh über eine Welle der Solidarisierung. „Politiker aller Parteien haben schockiert reagiert“, sagt sie. Außerdem habe sie viele Briefe bekommen und auch ehemalige Anzeigenkunden wollten nun wieder werben. „Ich fand das schön, denn es gibt uns Kraft“, sagt Petra Roß.

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