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Berlin: Aufwendige Eisengussarbeit auf Jüdischen Friedhof zurückgekehrt

Solide Bürgerlichkeit in tonnenschwerer Eisengussarbeit und feinen Kunstsinn in über 100 bearbeiteten Einzelteilen strahlt das Liebermannsche Familiengrab aus: In fast fünf Meter Höhe wölbt sich ein Bogen in den Himmel. Er wird von "falschen" Säulen getragen, zwischen ihren Sockeln symbolisiert eine tiefe Bank die letzte Ruhestätte.

Solide Bürgerlichkeit in tonnenschwerer Eisengussarbeit und feinen Kunstsinn in über 100 bearbeiteten Einzelteilen strahlt das Liebermannsche Familiengrab aus: In fast fünf Meter Höhe wölbt sich ein Bogen in den Himmel. Er wird von "falschen" Säulen getragen, zwischen ihren Sockeln symbolisiert eine tiefe Bank die letzte Ruhestätte. Darüber ist die schlichte, von einem Davidstern überstrahlte Grabtafel für Joachim und Rahel Liebermann angebracht. Die Liebermanns waren eine große Berliner Familie, und sie setzten sich monumentale Grabmäler auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee. Das Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete gusseiserne Familiengrab von Joachim Liebermann, dem Großonkel des Malers Max Liebermann, wurde gestern neu geweiht.

Rabbiner Yitshak Ehrenberg las ein Gebet für Joachim und Rahel Liebermann. Andreas Nachama, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, sagte, es sei angesichts der Grabschändungen der vergangenen Woche auf dem Friedhof Weißensee eine "Genugtuung", ein lediglich vom Zahn der Zeit angegriffenes, nunmehr restauriertes Grabmal wieder einzuweihen.

Die Liebermann-Grabstätte war 1995 wegen starker Verwitterung und Einsturzgefahr demontiert und in eine Restauratorenwerkstatt gebracht worden. Erst in diesem Jahr konnte die aufwendige Rekonstruktion abgeschlossen werden, nachdem sich neben der Jüdischen Gemeinde und dem Landesdenkmalamt auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz an den Kosten beteiligt hatte. Von den Schändungen des Friedhofs an der Schönhauser Allee, auf dem zuletzt im September 1997 knapp 30 Grabsteine beschädigt wurden, war die Liebermannsche Grabstätte nicht betroffen. Um 1940 soll allerdings eine Berliner Schlosserei etliche gusseiserne Teile für den Eigenbedarf entwendet haben. Die Restaurierungsarbeiten, bei denen auch der blau-grüne Originalanstrich und die Vergoldung der Lettern auf der Grabplatte erneuert wurde, kosteten insgesamt 327 000 Mark.

Joachim Liebermann gehörte zur ersten Generation der Liebermanns, denen 1823 der Zuzug aus Schlesien nach Berlin gestattet wurde. Mit seinem Bruder Joseph - dem Großvater Max Liebermanns - baute er die Firma "Gebrüder Liebermann", ein Textilhandelshaus, auf. Das Liebermannsche Familiengrab ist eines von 250 Wandgrabstätten entlang der Friedhofsmauer. Entworfen wurde es nach dem Tode Joachim Liebermanns im Jahre 1853 von dem Berliner Architekten und Kunstgewerbler Gustav Stier, einem Schinkel-Schüler.

Max Liebermann, der 1935 in Berlin starb, wurde gegenüber der Grabstätte des Großonkels im Familiengrab seines Vaters Joseph beigesetzt. Dort ruht auch Martha Liebermann, die Witwe des Malers. Sie nahm sich 1943, als ihr die Deportation drohte, das Leben. Sie war das letzte Mitglied der Familie Liebermann, das auf dem Friedhof an der Schönhauser Allee beerdigt wurde.Literaturtip: Das 1992 erschienene Handbuch "Der Jüdische Friedhof Schönhauser Allee" von Rosemarie Köhler und Ulrich Kratz-Whan (Verlag Haude & Spener) ist noch für 7,95 Mark im Buchhandel erhältlich.

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