zum Hauptinhalt

Berlin: Aus dem Gericht: Vergewaltigtes Mädchen klagt auf Schmerzensgeld

Kopfschütteln, Schnauben - mehr kann der Vater kaum tun. Er sitzt im Landgericht auf der Zuschauerbank, während vorne sein Anwalt um Schmerzensgeld kämpft.

Kopfschütteln, Schnauben - mehr kann der Vater kaum tun. Er sitzt im Landgericht auf der Zuschauerbank, während vorne sein Anwalt um Schmerzensgeld kämpft. Für seine Tochter Sabine. Die mit dreizehn Jahren vergewaltigt wurde. Ein Kind erwartete. Und abtreiben musste. Vergangenen März hatte Kristijan S., ein 24-jähriger Nachbar, die Vergewaltigung vor Gericht zugegeben. Jetzt weigert er sich zu zahlen. Weil er unter Druck zum Geständnis gezwungen worden sei, sagt sein Anwalt: "Ich gehe davon aus, dass es einen Deal gegeben hat."

Wieder schüttelt der Vater den Kopf. Entrüstung war auch im Moabiter Saal im März zu spüren, als der Richter die Entscheidung verlas: Das Gericht verurteilte Kristijan S. zu zwei Jahren Haft - und entließ ihn auf Bewährung nach Hause. Das Urteil stieß damals auch in Justizkreisen auf Kritik: Generalstaatsanwalt Dieter Neumann bezeichnete es als einen Eklat und legte Revision gegen die eingeräumte Bewährung ein. "Noch habe ich keine offizielle Benachrichtigung", sagt Nebenklagevertreterin Ellen Engel.

Während die Revision also noch läuft, kam es gestern am Tegeler Weg zur zivilrechtlichen Auseinandersetzung. Der Anwalt der Familie hat hoch gepokert: Fast 41 000 Euro Schmerzensgeld fordert er. Weil Sabine erst 13 Jahre alt war, abtreiben musste, noch heute psychologisch behandelt wird. Der Richter winkt ab. "41 000 Euro sehen wir nicht annähernd", sagt er. Laut Rechtsprechung stünden einem Opfer einer "normalen Vergewaltigung" 8000 bis 10 000 Euro zu.

Kristijan S. lässt sich nicht im Saal blicken. Er hatte das Mädchen vor rund fünf Jahren kennen gelernt. Die anfängliche Freundschaft soll bald durch seine Annnäherungsversuche getrübt worden sein. Am 23. August 1997 lockte er Sabine laut Anklageschrift in ein leer stehendes Haus und vergewaltigte sie. Sabine verschwieg den Übergriff. Erst viereinhalb Monate später kam die Schwangerschaft an den Tag. In seinem ersten Prozess leugnete der Angeklagte, das Mädchen vergewaltigt zu haben. Trotzdem wurde er zu drei Jahren Gefängnis verurteilt - und legte Berufung ein. In der zweiten Instanz nahmen die Dinge einen anderen Lauf: Als das Gericht Sabine befragen wollte, fand man sie weinend auf dem Flur. Der Staatsanwalt hatte die Idee, Sabine die Aussage zu ersparen und S. für ein Geständnis Strafmilderung anzubieten. "Dass das Druck ist, ist doch deutlich", sagt der Anwalt von Kristijan S.

Das Gericht schien nicht wirklich überzeugt, zog sich aber vorerst zur Beratung zurück. Egal, wie das Urteil ausfällt: Mit einem größeren Geldbetrag wird Sabine in nächster Zeit kaum rechnen können. "Da ist nichts, was gezahlt werden kann", sagt der Anwalt des Beklagten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false