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Aus dem Qoutentief: Wünsch dir was

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg ist das Schlusslicht unter den Dritten Programmen. Viele sagen, man kann in dieser Zweiländer-Anstalt kein besseres Fernsehen machen. Aber warum eigentlich nicht?

Gute Nachrichten für den RBB am vergangenen Wochenende: Der Sender freute sich beim Deutschen Filmpreis über sechs Auszeichnungen für die Koproduktionen „Halt auf freier Strecke“, „Wintertochter“ und „Die Unsichtbare“. „Unsere Redaktionen müssen ihre begrenzten Mittel für Koproduktionen gezielt einsetzen, umso glücklicher sind wir, wenn diese so herausragende Erfolge verzeichnen“, schickte Dagmar Reim hinterher. Eine verständliche Reaktion, viele Erfolge hatte die Intendantin zuletzt nicht zu vermelden.

Schlechte Quoten, maues Image, die Stimmung vor allem jüngerer Zuschauer in Berlin und Brandenburg geht in diese Richtung: Öffentlich-rechtliches Fernsehen? Die Dritten Programme? Und dann noch der RBB? Unerträglich fad! Provinzfernsehen! Zu viel „ARD Buffet“, zu viel Pandabären-Giraffen-Erdmännchen, zu viel Spargelkönigin und Hundeärger in der „Abendschau“. Kein Wunder, dass es schwierig war, für die nebenstehende Promi-Umfrage TV-Nachwuchs zu gewinnen. Sarah Kuttner? Klaas Heufer–Umlauf? Keine Zeit, vielleicht auch keine Lust auf den RBB.

Auch die Zahlen sprechen für sich. Durchschnittsalter des RBB-Zuschauers: 63 Jahre. Bundesweit steht der RBB unter den Dritten mit einem Marktanteil von 6,1 Prozent nach 6,8 Prozent im Vorjahr als Schlusslicht da, knapp hinter dem SWR.

Andererseits: Kann das der einzige Maßstab für die Qualität eines öffentlich-rechtlichen Programmes sein? Quote, Quote über alles? Am nämlichen Wochenende, am späten Samstagabend, lief „Im Palais“, der – mit durchschnittlich 50 000 Zuschauern viel zu selten eingeschaltete – Talk mit Dieter Moor. Thema: „Happy End und Versöhnung: Muss man verzeihen können?“. Gäste unter anderem: Walter Kohl und Judka Strittmatter. Erstaunlich, wie unterhaltsam, wie anregend und zugleich entspannt das Dritte Programm durchaus sein kann. Bei so einem Angebot ist das ARD-Talk-Gewese um Beckmann & Co. glatt mal zu vergessen.

Muss und kann es der Rundfunk Berlin-Brandenburg anders machen? Und wenn ja, wie? Mehr zum Sender für Hipster werden? Eine Art Radioeins-TV? Weniger mit Reporter Ulli Zelle arbeiten, dem 61-jährigen RBB-Markenzeichen? „Wir zahlen dafür, aber wir wollen es nicht mehr sehen, unser gebührenfinanziertes Regionalfernsehen“, schrieb vor einigen Wochen Tagesspiegel-Redakteur Stephan Wiehler auf diesen Seiten. Er gab, die Online-Kommentare zu dem Text zeigen es, die Stimmung Hunderter Leser wieder. „Beim Zappen schalte ich weiter, sobald das RBB-Logo in der Bildschirmecke erscheint“: Wiehler sieht sich als Teil jener 94 Prozent der Berliner und Brandenburger, die jeden Monat für ein TV-Programm zahlen, das sie nicht interessiert.

RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle entgegnete, Tatsache sei, dass mehr als 40 Prozent allein der Berliner an mindestens vier Tagen in der Woche zur „Abendschau“ schalten. „Die finden sich um 19.30 Uhr vorm Fernseher ein.“ Oder sie gehörten zu den mehr als 200 000 Menschen, die Michael Kessler bei seinen Expeditionen begleiten. „Wir gehen gern zu den Menschen auf der Wilmersdorfer Straße, zu den Kahnpostleuten im Spreewald oder den Laubenpiepern an der Avus. Selbstverständlich sehen Sie im RBB auch Poetry Slam, Off-Bühnen, Freaks und Fantasten.“ Daneben werde jede Menge politisch Relevantes geboten. Worin sich der RBB aber mit Kritikern einig ist: Es sei manchmal schwer, alle Perlen im RBB-Programm zu finden – „nicht zuletzt deshalb ordnen wir unser Programmschema, geben ihm eine klarere Struktur“. Nothelle verwies auf die jüngste RBB-Programmreform.

{Die Programmreform des RBB}

Vom 13. August an werden die Wochentage ab 20.15 Uhr stärker thematisch sortiert. Am Montag Krimi und Wissen, Dienstag anstelle des Polit-Talks „Klipp & Klar“ mehr Dokumentationen, Mittwoch Informationen, Beratung, Service, Donnerstag TV-Film und neue Fernsehideen, Freitag regionale Unterhaltung wie „Bauer sucht Kultur“ und Comedy. Das Wirtschaftsmagazin „was!“ in einer verkürzten Version geht vom Montag auf den Mittwoch und wechselt sich 14-tägig mit „Klartext“ ab. Der RBB brauche Platz für Neues, daher müssten Sendungen weichen, heißt es. Man wolle näher an die Zuschauer herankommen. Sicher sei, dass der Sender keine Castingshows und Schönheitswettbewerbe veranstalte, sagte Dagmar Reim. Wenn zwei von 26 selbst produzierten Sendungen gestrichen würden, sei dies keine Reform, sondern ein „Reförmchen“.

Zwei Länder, zwei Standorte. Der RBB am Theodor-Heuss-Platz und in Babelsberg. Fotos: pa/dpa/ZB
Zwei Länder, zwei Standorte. Der RBB am Theodor-Heuss-Platz und in Babelsberg. Fotos: pa/dpa/ZB

© picture-alliance/ ZB

Welche Widerstände bei diesem Reförmchen überwunden werden mussten, wie schwer der Entscheidungsprozess war, der sich über Monate hinzog und dem nun vor allem „Klipp & Klar“ mit Marco Seiffert und die Verbrauchersendung „Die Jury hilft“ zum Opfer fallen – da lässt sich der RBB ungern in die Karten schauen. Man habe, so Reim, vor der Entscheidung mit mehr als 100 Leuten im Haus diskutiert. Die Programmreform sei über Monate vorbereitet worden, sagt Claudia Nothelle, zunächst innerhalb einer internen Arbeitsgruppe, die sich aus Mitarbeitern unterschiedlicher Redaktionen zusammensetzte. „Begleitet wurde der Prozess durch einen externen Berater, der Erfahrungen in öffentlich-rechtlichen wie auch in privaten Sendern aufweisen kann, sowie einer eigenen umfänglichen Studie, bei der wir die Meinungen und Wünsche unserer Zuschauer in Berlin und Brandenburg erfragt haben.“

All diese Expertisen seien in die Entscheidungen zum neuen Schema, die letztlich die Programmdirektion in Abstimmung mit der Intendanz trifft, eingeflossen. „Vor der öffentlichen Bekanntgabe der Veränderungen haben wir die Kollegen der betroffenen Redaktionen über unsere Absichten informiert.“ Danach sei die Reform im Programmausschuss und Rundfunkrat beraten worden.

Das klingt stringent. Was aber bleibt, ist das diffuse Gefühl, dass sich eben nicht die Meinungen und Wünsche der Zuschauer in Berlin und Brandenburg in ihrem jetzigen und zukünftigen Regionalprogramm widerspiegeln. Manch einer wünscht sich da eine größere Einflussnahme des Rundfunkrats, dem wichtigsten Kontrollorgan der öffentlich-rechtlichen Anstalt. Die Mitglieder des 30-köpfigen RBB-Gremiums setzen sich aus Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen zusammen. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehört es, den Intendanten zu wählen, in allgemeinen Programmangelegenheiten zu beraten sowie die Einhaltung der Programmgrundsätze zu überwachen. Seinen etwaigen Unmut über die RBB-Ausrichtung könnte der Rundfunkrat die seit neun Jahren regierende Dagmar Reim spüren lassen – bei der turnusmäßigen, öffentlich ausgeschriebenen Wahl der neuen RBB-Intendanz am 21. Juni.

Fotos: Fotolia, ARD, Tsp, Montage: Bettina Seuffert; dapd, PA/ Eventpress, PA/ Schroewig, PA/ dpa (3)
Fotos: Fotolia, ARD, Tsp, Montage: Bettina Seuffert; dapd, PA/ Eventpress, PA/ Schroewig, PA/ dpa (3)

© picture alliance / dpa

Sieben Kandidaten werden in diesen Tagen bei der Wahlkommission vorstellig, die sich aus Mitgliedern des Rundfunkrats zusammensetzt. Dass diese – nicht unumstrittene – Kommission am vergangenen Donnerstagnachmittag bei der RBB-Rundfunkratssitzung in Babelsberg im nicht öffentlichen Teil gewählt und bestimmt wurde, spricht nicht gerade für Transparenz und Plausibilität des Wahlverfahrens. Von einem aussichtsreichen Gegenkandidaten für die 60-jährige Reim, einer gelernten Journalistin, die ihre Bereitschaft zur Wiederwahl bekundet hat, ist aber sowieso nicht auszugehen. Da sei keiner dabei, so heißt es auf den Fluren des RBB, der es wert ist, ernsthafter Kandidat genannt zu werden.

Wenn man dann rausgeht, sich umhört beim Sender – es gibt Groll, zumindest hinter vorgehaltener Hand, in beiden Zentralen im (alten) Haus des Rundfunks an der Masurenallee oder der (neuen) Medienstadt Babelsberg. Chefredaktion und Intendanz könnten mit Kritik nicht richtig gut umgehen. Oder: Es sei ja okay, dass sich etwas zu ändern habe, aber musste es ausgerechnet den einzigen Polit-Talk des Senders erwischen? Ganz zu schweigen davon, dass die Einstellung eines Formats wie „Klipp & Klar“ zu redaktionellen Aderlässen führt, kompetente Mitarbeiter zu anderen Produktionen oder Sendern wechseln. Andere kritisieren, dass die Reform nach all den Diskussionen am Ende viel zu weich, zu kompromissbereit ausgefallen ist. Innovative Ansätze scheiterten auch am Starrsinn in manchen Redaktionen. Kein Wunder, unter den rund 1600 Mitarbeitern beim RBB sitzt noch viel alter Geist aus SFB- und ORB-Zeiten herum. An einem Strang ziehen, das sieht anders aus.

Klaus Ness, medienpolitischer Sprecher der SPD in Brandenburg und Mitglied des Rundfunkrats, weist darauf hin, dass insbesondere im Radiobereich die Fusion von SFB und ORB 2003 sehr gut funktioniert habe. „Schwieriger ist der Fernsehbereich. Berlin ist eine wachsende, vielleicht die einzige Metropole in Deutschland. Eine solche Metropole hat eine Sogwirkung.“ Der RBB müsse dieser Gefahr offensiv widerstehen, damit sich Brandenburg weiterhin im RBB wiederfindet. Dafür müsse der Berliner dann und wann auch den Blick aus der Provinz ertragen. Ness’ Kollegin Barbara Richstein (CDU) sieht das ähnlich: „Wichtig ist, dass auch künftig eine breite regionale Berichterstattung und attraktive Fernsehunterhaltung für Brandenburger Zuschauer gewährleistet ist.“ Wünschenswert wäre ein Format wie „Vor Ort“, in dem im ORB regionale Probleme diskutiert wurden.

Das sehen Berlins Hipster natürlich anders. Das ideale RBB-Programm wäre für Fernsehforscher Lothar Mikos demnach ein auseinandergeschaltetes: „eines für die Hauptstadt mit viel Kultur und Unterhaltung, auch Info, Dokumentation und Sport. Und eines für Brandenburg mit den gleichen Programmbereichen, aber unterschiedlichen Protagonisten.“ Mit Blick auf andere Dritte Programme fehle dem RBB der Mut zu innovativen Unterhaltungsformaten, die experimentellen Charakter haben. „Sie dürfen ruhig billig sein.“ Immerhin: RBB-Mitarbeiter sollen mehr als 100 Ideen eingereicht haben, wie nach der Reform frei werdende Programmflächen ab August zu füllen wären: von der Freak- bis zur Quizshow.

Der RBB wird weiter die Gemüter spalten. Die Lolas sind dann am Ende wieder für alle da. Markus Ehrenberg, Kurt Sagatz

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