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Berlin: Aus der Tanz

Gut acht Jahre lang war der „Flyer“ der maßgebliche Führer durch die Berliner Nacht. Das Zentralorgan der Club-Szene, ein Herold der Techno-Kultur. Jetzt ist das Gratis-Heft im Hosentaschenformat am Ende. Die Anzeigenkunden blieben weg. Der „Flyer“ wird nicht mehr erscheinen

Von Tanja Buntrock

und Till Schröder

Der Niedergang währte schon länger. Nun ist der „Flyer“, das 1994 gegründete Zentralorgan der Rave-Generation der neunziger Jahre und später der Club-Szene überhaupt, auf den – sozusagen – harten Tanzboden der Tatsachen gestürzt: Das Gratisheft im DIN-A 6-Hosentaschenformat, das in Clubs, Kneipen und Cafés ausliegt, wird nicht mehr erscheinen. Das gegenwärtige Heft ist das letzte. Am Dienstag hat der Herausgeber Marc Wohlrabe beim Charlottenburger Amtsgericht den vorläufigen Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt.

„Die Wirtschaftslage ist extrem schwach, der Rückgang des Anzeigenmarktes machte uns einfach zu schaffen“, begründet der 30-jährige Jungunternehmer mit dem gepflegten Ziegenbärtchen und dem Pferdeschwanz die Pleite. Wohlrabe gehört der „Zeitbank-Verlag“, in dem der „Flyer“ erschien. Der Februar sei der am schlechtesten gebuchte Monat in der Geschichte des „Flyers“ gewesen, Unternehmen hätten sich von laufenden Kampagnen zurückgezogen, „wir konnten nicht mehr planen für das Jahr 2003“. Anzeigen aber finanzierten das Heft. Wohlrabe habe „rechtzeitig die Reißleine ziehen wollen, bevor alles zu spät ist“, sagt er.

Der „Flyer“, dessen Herzstück der ausführliche Party-Terminkalender war (siehe Kasten), erreichte mit seinem außergewöhnlichen Konzept schnell Kult-Status in der Szene. Auf dem Cover erschienen stets berühmte Marken wie „Tempo“, „Fanta“ oder „Levi’s“ – allerdings mit dem Schriftzug „Flyer“ statt des Markennamens. Das kam so gut an, dass Wohlrabe anfing zu expandieren und Flyer-Ausgaben in Hamburg, Frankfurt, München, Leipzig und Nordrhein-Westfalen gründete. Und damit nicht genug: Wohlrabe suchte sich auch Partner in New York, San Franscisco und Tokio, um auch dort mit einem „Flyer“ den Nachtschwärmern Orientierungshilfe zu leisten.

Mittlerweile jedoch ist die Auflage von einmal 290 000 gedruckten Exemplaren deutschlandweit auf 140 000 geschrumpft; in Berlin wurden noch rund 50 000 Exemplare auf den Markt gebracht. Wohlrabe, der „jetzt erstmal das Insolvenzverfahren abwarten und den Markt beobachten“ will, sieht pessimistisch in die Zukunft. Das A6-Konzept sei vielen Werbekunden zu riskant, weil sie fürchten, der Anzeigentext gerate dann zu klein. Immerhin: Die Gratishefte in Japan und den USA existieren zunächst weiter. „Wenn auch nicht sehr gewinnbringend“, gesteht Wohlrabe.

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